Kolumne

Wunschtraum werde wahr!

Kennen Sie das? Man wartet sehnlichst auf besseres Wetter. Endlich ist es da, zumindest bei uns in Südbayern. Es ist Mitte Mai, ich sitze in der Sonne und lasse meine Gedanken kreisen.


Es gibt immer mehr Diabetiker, habe ich heute gelesen. In Deutschland bereits rund sechs Millionen. Von den etwa 300.000 Typ 1-Diabetikern seien bisher über 40.000 in der Insulinpumpentherapie unterwiesen, heißt es im Internet. Den Diabetes sind die trotzdem nicht los. Auch wenn ein jüngst berichteter Erfolg aufhorchen lässt: Einer Frau, die noch eine Restinsulin-Produktion hatte, wurden an der Universität von Florida Inselzellen in das Bauchfellfett implantiert. Seit einem Jahr braucht sie kein Insulin mehr. Muss aber bis an ihr Lebensende Immunsuppressiva einnehmen (Ärzteblatt vom 11.5.2017) - mit Nebenwirkungen. Die Diabetes Typ 1-Heilung bleibt vorerst ein Traum. So gesehen muss es doch vorerst um möglichst viele funktionelle Hilfen für Diabetiker gehen. Und um Akzeptanz und Unterstützung für Kinder mit Diabetes.


Mir fällt eine Werbung für ein Blutzucker-Messgerät ins Auge. Was ist denn das? Wäre es nicht wichtiger, noch mehr Forschungen hin zum Closed Loop bei der Behandlung des Typ 1-Diabetes zu betreiben? Das beworbene BZ-Gerät verspricht ein besseres, sanfteres, bequemeres BZ-Messen. Grundsätzlich ist das sicher ein Vorteil. Aber brauchen Diabetiker, die bereits Continuous Glucose-Monitoring-Systeme (CGM) oder Flash-Glucose-Messgeräte (FGM) verwenden, ein weiteres BZ-Messgeräte-Modell? Sie müssen nur zwecks Kallibrierung oder bei unsicheren Werten blutig messen. Den Rest machen normalerweise CGM bzw. FGM. Und die werden inzwischen von vielen Krankenkassen bezahlt.


Ein Blick zurück: Der Deutsche Diabetiker Bund hat unter seinem ehemaligen Vorsitzenden Dieter Möhler jahrelang dafür gekämpft, dass die gesetzlichen Krankenkassen das CGM unter bestimmten Voraussetzungen bezahlen. Nachdem das geschafft war, zahlen inzwischen viele Krankenkassen auch die auf einem anderen Verfahren beruhenden FGMs (s. Seite 26). Ob CGM (im Idealfall in Verbindung mit einer Insulinpumpe) oder FGM (unabhängig von jeglicher Pumpe und daher im Grunde von allen Diabetikern nutzbar), beide zeigen den Blutzuckerverlauf am Tag und in der Nacht.


Der BZ-Verlauf steht bekanntermaßen in Wechselwirkung mit mehreren Faktoren. Dazu zählen Insulinmengen, aufgenommene Kohlenhydrate, Sport, Stress, Krankheit, etc. Das alles sollte protokolliert werden. Nur, … womit kriegt man all diese Angaben am besten in eine Darstellung, ohne sie umständlich und zeitaufwändig per Hand aufzuschreiben?


Es gibt Ausleseprogramme, aber nicht für wirklich alle Geräte. Könnte nicht eine App helfen, die als Grundlage alle BZ-Messgeräte und alle Insulinpumpen auslesen kann und eine Notizfunktion für BE-Aufnahme, Sport, Krankheit und temporäre Basalratenänderungen hat? Gibt es das vielleicht schon, darf nur nicht auf den Markt, weil Lizenzen fehlen oder Herstellerrechte berührt sind? Wenn im Idealfall alles in dieser App klappt und die Daten sicher sind, wäre das doch der Traum!


Spinnt man diesen Traum weiter, sollte diese Smartphone-App nicht nur CGM und FGM-Sensoren auslesen und/oder Daten von Insulinpumpe und BZ-Gerät verarbeiten, sondern auch von Geräten mehrerer Personen. Also zum Beispiel die Werte von Papas BZ-Gerät mit denen von Papas schwarzer Pumpe in Protokoll „Papa“ schreiben und die Werte vom BZ-Gerät und blauer Pumpe seines Sohns in Protokoll „Sohn“. Die App würde automatisch erkennen, zu wem die eingelesenen Daten gehören, sie parallel verarbeiten und protokollieren. Dann, ja dann, hätten es Vater und Sohn zum Beispiel im Urlaub viel einfacher. Sie bräuchten nicht immer das Diabetes-Equipment von jedem Einzelnen mit an den Strand oder ins Schwimmbad zu schleppen. Tagsüber nähmen sie das Smartphone als Auslesegerät. Abends würden die Protokolle aus dem Smartphone ins mitgebrachte Tablet übertragen, um die Daten zu sichern und auszuwerten. Aus dem Urlaub zurückgekehrt könnten die Daten in den heimischen PC übertragen und als Grafik oder Liste ausgedruckt werden. Ganz so, wie man es selbst braucht oder die behandelnden Diabetologen es wünschen.


Solch eine App könnte viele Träume erfüllen und ich bin überzeugt, die Diabetes-Protokollierung und -Steuerung wäre sehr viel einfacher. Diabetiker wären motivierter, sich bedachter um ihren BZ und damit um ihr Wohlergehen zu kümmern. Für Kinder (in Schule, bei Klassenfahrten oder Auslandsaufenthalten) und Erwachsene (bei Dienstreisen oder in Schichtarbeit) wäre die Betreuung einfacher. Technisch ist die Komplett-Lösung sicher längst möglich. Aber wann verschafft sie den Betroffenen endlich Erleichterung? Von der alltagstauglichen Insulinpumpe haben wir jahrzehntelang geträumt. Braucht es also nur noch Geduld? Oder fehlt‘s am Geld?


Ich weiß es nicht. Vorerst bleibt es ein Traum. Da sehe ich eine Werbung: „Endlich Sonne satt“. Dieser Traum wurde schon wahr. Warum soll es mit meiner BZ-App und weiteren funktionellen Diabetes-Hilfen nicht auch klappen?


Ihre Angela Boschert