Berichte

Deutscher Diabetiker Tag in Nürnberg - Teil 2

Wie im letzten Kontakt versprochen, hier die Fortsetzung zum Deutschen Diabetiker Tag in Nürnberg!

Gleich im Eingangsbereich lud das begehbare Darmmodell ein, sich mit dem eigenen Inneren zu beschäftigen – und evtl. den Vorsatz zu fassen, zur Darmkrebsvorsorge zu gehen. Weiter ging es oben: In den vielen Vortragsräumen, auf der Industrieausstellung und rundherum war so viel geboten, dass die Auswahl, wohin zuerst, schwer fiel. Und der Vorsorge-Parcours sollte ja auch noch durchlaufen werden! Süße Diabetikerwarnhunde zogen in ihren Bann, Kinder waren von der KinderUni Nürnberg eingeladen und das Galli-Theater präsentierte ein unterhaltsames Stück zum positiven Umgang mit Diabetes. Die neue Technik kam auch nicht zu kurz: es gab Vorträge zum Bolusrechner, zur Insulinpumpentherapie und zum Computer-unterstützten Diabetes-Management. Auf dem Programm standen Vorträge zu Diabetes und Zähnen, dem Diabetischen Fußsyndrom, DMP, Schnarchen, Transplantation von Inselzellen, Diabetes und Niere, Neuigkeiten in der Diabetes-Therapie und vieles mehr. Und nicht zu vergessen: Drei verschiedene Koch-Shows mit Hans Lauber und Spitzenkoch Uwe Steiniger!

Und es gab das Patienten-Forum direkt vor unserem Stand mit seinem interessanten und abwechslungsreichen Programm, fast ständig voll besetzt und manchmal zusätzlich von Menschentrauben umgeben.

 

Schwerbehinderung und Führerschein

 

Das Patienten-Forum startete mit Rechtsanwalt Oliver Ebert (Rubrik Soziales, Diabetes Journal). Er beantwortete Rechtsfragen des Publikums. Erster Schwerpunkt: Schwerbehinderung. Oliver Ebert gab viele Tipps: Der Freibetrag, der Schwerbehinderten zu steht, kann, muss aber nicht, auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden. Sie können ihn auch erst bei Steuererklärung geltend machen. Wann dürfen Schwerbehinderte Behindertenparkplätze nutzen? Das darf nur, wer einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen aG (= außergewöhnliche Gehbehinderung) besitzt, was auf Diabetiker in den wenigsten Fällen zutrifft.

Ein weiterer Themenkomplex: die Fahrerlaubnis. Oliver Ebert bat eindringlich: Machen Sie vor Fahrtantritt einen Blutzuckertest und dokumentieren diesen. Fahren Sie bei einer Hypoglykämie unverzüglich rechts ran und bekämpfen Sie sie. Erst, wenn ein erneuter Blutzuckertest (Dokumentation!) beweist, dass die Hypo behoben ist, dürfen Sie weiter fahren. Bitte rechnen Sie in diesem Fall immer auch mit einer erneuten Hypo.

Es folgte die offizielle Begrüßung durch Stadtrat Dr. P. Pluschke, Dr. G.-W. Schmeisl (Diabetologe, Bad Kissingen), Dieter Möhler, DDB-Bundesvorsitzender, und Bernd Franz, Landesvorsitzender Diabetikerbund Bayern. Dr. Schmeisl begrüßte die Anwesenden als Medizinischer Beirat des Diabetikerbund Bayern und als Diabetes-Journal-Redaktionsmitglied. Für ihn persönlich ist und war die Zusammenarbeit mit dem DDB, der Patientenorganisation, immer selbstverständlich. Nur die enge Zusammenarbeit von Ärzteorganisationen und Selbsthilfe biete Chancen für die zukünftige gute Versorgung.

 

Der DDB ist Ihre Heimat!

 

Dieter Möhler, Bundesvorsitzender des DDB, erklärte den Deutschen Diabetiker Tag in neuer Auflage zu einem großen Erfolg. Diabetiker wollen wie Gesunde am Leben teilhaben. Leider ist heute der Zugang zu allen Therapieoptionen nicht mehr so einfach möglich. Deshalb, und um weiteren Einschränkungen entgegen zu treten, brauchen wir einen riesigen Zusammenhalt. Was man mit Zusammenhalt erreichen kann, zeigt sich an dem, was die Grünen 2011 in Baden-Württemberg geschafft haben. Deshalb: Tun wir uns zusammen, dann können wir Ihre Versorgung sicherstellen. Werden Sie Mitglied – wir brauchen Sie! Unser Ziel: Der Einzelne im System darf nicht überfordert werden, aber es muss möglich sein, eine Therapie zu erhalten, die den Alltag bewältigen lässt.

Bernd Franz, unser Landesvorsitzender, freute sich, so viele Interessierte begrüßen zu dürfen. Auch aus anderen Bundesländern waren Besucher und Landesvorstände gekommen, die er besonders willkommen hieß. Zum Schluss stellte er Bauchredner Pierre Ruby mit Amanda vor, die den komplettem Tag über am Stand des Diabetikerbund Bayern, im gesamten Messebereich und im Patienten-Forum für Unterhaltung sorgen würden!

 

„Yes, we can!“ Dieter Möhler, Bernd Franz
Erfolge, Ziele und Projekte des DDB

 

Der Deutsche Diabetiker Bund lebt und gedeiht!. Schon vor 60 Jahren wurde der DDB aus Angst um die Versorgung wieder gegründet (Vorgängeraktion 1931–1945). Auch heute steht unsere Versorgung auf dem Spiel:

Diabetiker bekommen nicht mehr alle Insuline verschrieben, die auf dem Markt sind.

  • Typ-2-Diabetiker ohne Insulin erhalten nur noch schwer Blutzuckerteststreifen auf Kassenrezept.
  • Der Einstieg in die Insulinpumpentherapie wird durch die Kostenträger immer mehr erschwert, usw.

Sie sehen: Unsere Versorgung ist gefährdet und damit gerät die Teilhabe in allen Aspekten des täglichen Lebens in Gefahr.

Die gesetzliche Krankenversicherung schuldet den Versicherten nur den allgemeinen Stand der Medizinwissenschaft – das ist nicht die beste Therapie. Alles, was besser ist, soll selbst bezahlt werden. Deshalb müssen die Betroffenen ihre Interessen vertreten. Und das tut der DDB. In den letzten Jahren wurden hierfür einige entscheidende Instrumente geschaffen:

  • Rechtsberatungsnetz „Zucker im Blut – Recht im Leben!“ So war es z.B. durch die fachlich kompetente Hilfe aus dem Rechtsberatungsnetz möglich, eine Kündigung aufgrund von Aggressivität im Unterzucker zurück zu nehmen.
  • Neue Richtlinien zur Schwerbehinderung – endlich wird eine aufwändige, gute Stoffwechseleinstellung nicht mehr bestraft.
  • Versicherungsmöglichkeiten für Diabetiker: Unser Partner ermöglicht auch Diabetikern, adäquaten Versicherungsschutz ohne Abschläge und Ausschlüsse zu erlangen – ohne die Gefahr, in der HIS-Datei „verbrannt“ zu sein. (Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir erhalten dafür keinerlei Provision - es geschieht alles nur zu Ihrem Vorteil.)
  • Sugar-Hotline: Pädagogisches Info-Telefon für Eltern

Die Versorgungsstudie, die der DDB im letzten Jahr in Auftrag gegeben hat, zeigt eindeutig, wo Defizite sind und worum wir uns noch mehr kümmern müssen. So ist ganz deutlich geworden, dass Folgeerkrankungen einen großen Verlust an Lebensqualität bringen.

Wir helfen Ihnen da, wo Sie Hilfe brauchen. Wir reden mit Ihnen, nicht über Sie. Wir sind die gesetzlich bestellte Interessenvertretung. Unsere Stimme ist mächtig und wird gehört, deshalb „rentiert“ es sich, Mitglied zu werden.

Der DDB Ihre Heimat! Werden Sie Mitglied!

Auch Bernd Franz verspricht jede Unterstützung, individuell auf die jeweilige Bedürfnisse zugeschnitten. Im Gegenzug dazu benötigen wir Ihre Unterstützung durch Ihre Mitgliedschaft. Drei bayerische Rechtanwälte sind im Netz aktiv und haben schon einigen Mitgliedern ganz entscheidend weiter geholfen. Eine weitere Stärke des Diabetikerbund Bayern sind die jährlichen Schulungsveranstaltungen für Kinder und Jugendliche, die neben neuer Motivation und neuem Wissen viel Spaß und Abenteuer bieten – 2012 als Diabetes-Camp am Chiemsee.

Der DDB ist mit seinen 16 Landesverbänden und weiteren Mitgliedsorganisationen ein starker Verband mit einem starken Bundesvorsitzenden, der die Patienten-Interessen in der Politik und im G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) vertritt.
Diese Arbeit wird von allen – Bundes- wie Landesvorstände, Selbsthilfegruppenleiter usw. - ehrenamtlich, oft neben Beruf und Familie, geleistet. Ehrenamt ist heute mehr denn je notwendig – wir arbeiten für Sie und Ihre Belange!

 

Sportliche Aktionen mit Prominenten

 

Auch der Sport kam auf dem DDT nicht zu kurz: Dieter Möhler präsentierte den Bulgarian Bag, ein Sportgerät, das für alt und jung, Anfänger und Fortgeschrittene, also für Jedermann, geeignet ist – eine Art Sandsack mit verschiedenen Halteschlaufen. Er zeigte mit Trainern die Vielseitigkeit des Trainingsgerätes. Auch am Nachmittag war er sportlich aktiv, gemeinsam mit Alexander Piel, Deutscher Meister im Karate und Typ-1-Diabetiker: In einer gemeinsamen Vorführung mit Mitmach-Aktion brachten sie viele Besucher in Bewegung. Auch andere Leistungssportler standen für Fragen zur Kombination Diabetes und Leistungssport und für Geschicklichkeitsspiele mit der Wii parat: Daniel Schnelting, Sprinter und Deutscher Meister im 200-m-Sprint und Michael Steiner, Olympiasieger und Weltmeister im Gewichtheben.

 

Fürchte Dich nicht, langsam zu gehen – fürchte Dich nur, stehen zu bleiben.

 

Wem dies zu sportlich war: Es ging auch softer: Dr. P. Borchert motivierte in seinem Vortrag „Mehr Bewegung mit dem Schrittzähler“ zu mehr Schritten im Alltag und darüber hinaus. Der erste Tipp: Schaffen Sie sich einen guten Schrittzähler – gibt es ab 20 Euro, 2-dimensionale Schrittzähler können auch in der Hosentasche getragen werden – an und tragen Sie ihn ständig: Viele Menschen überschätzen ihre tägliche Schrittzahl und so erhalten Sie einen Gewissheit, wie es bei Ihnen aussieht.
Nehmen Sie sich vor, 3–4 mal pro Woche spazieren zu gehen. Damit das auch wirklich klappt: Verabreden Sie sich mit sich selbst und tragen die Termine im Kalender ein! Setzen Sie Ihr Ziel am Anfang nicht zu hoch! Fangen Sie mit weniger Schritten bzw. kürzerer Dauer an. Freuen Sie sich, wenn Sie es geschafft haben, setzen Sie sich ein neues Ziel! Geben Sie nicht auf, wenn es mal nicht so klappt! Höhen und Tiefen gibt es überall – und: Jeder Tag bietet eine neue Chance! Setzen Sie das „Medikament Bewegung“ für Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden ein.

 

Talkrunde mit Rechtsanwalt Oliver Ebert und Dieter Möhler „Neues zur Gesundheitsreform“

 

Beide diskutierten intensiv über die weitere Verordnungsfähigkeit von Teststreifen für nicht-insulinpflichtige Typ-2-Diabetiker. Die Ausnahmeregelung der Verordnungsfähigkeit von 50 Teststreifen pro Therapieabschnitt bei instabiler Stoffwechsellage kam nur durch den Einsatz von Dieter Möhler als Patientenvertreter im G-BA zustande. Darauf sind wir stolz. Jetzt bleibt abzuwarten, wie diese Regelung in der Praxis ausgelegt wird. Herr Ebert sieht dies eher optimistisch, da der Arzt individuell einen Therapieabschnitt definieren könne. Zudem dürfe der Arzt alles verordnen, sofern er es stichhaltig begründe.

 

Teststreifen, CGMS, Insulinpumpen

 

Aber nicht nur bewährte Therapien werden eingeschränkt – auf dem Spiel stehen auch Innovationen und Verbesserungen/ Erleichterungen. Auf dem Prüfstand z.B. jetzt die Kontinuierliche Glukosemessung (Anm. der Redaktion: wurde auf längere Sicht vertagt), die auch bei positiver Entscheidung nicht zum Standard werden, sondern nur nach Einzelfallentscheidung bei genauer Prüfung der Indikationslage und des Nutzens verordnet werden wird.

Im SGB 4 § 33 ist festgelegt: „Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Im Fall des Diabetikers heißt dies, der Patient muss in der Lage sein, seinen Alltag in Schule, Beruf und Familie zu bewältigen. Dabei ist aber immer auch das Wirtschaftlichkeitsgebot der gesetzlichen Krankenversicherung im Auge zu behalten. Es gilt einerseits die Ressourcen zu schonen und andererseits die im Einzelfall notwendigen Hilfen durchzusetzen.

 

Zucker im Blut - Recht im Leben

 

Hierbei helfen, unter Umständen auch im vorläufigen Eilverfahren, unsere mit den Problemen durch Diabetes rundherum kompetenten Spezial-Anwälte. Sie kennen Fallstricke, über die der Rechtsanwalt um die Ecke leicht fällt. So kam es schon vor, dass ein nicht-Diabetes-vertrauter Rechtsanwalt einen Diabetiker mit der Begründung „Unterzucker“ vom Knöllchen befreite – aber danach meldete sich die Fahrerlaubnisbehörde und entzog erst einmal den Führerschein aufgrund fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung.

Ein weiteres Thema war die Einstufung zur Schwerbehinderung. Hier gaben beide Rechtsanwälte den Tipp, eine persönliche Darstellung aller individueller Beeinträchtigungen, die man durch den Diabetes hat, mit einzureichen. Stellen Sie alles plastisch dar, verschweigen Sie nichts. Jede Kleinigkeit, auch z.B. Probleme in der Partnerschaft durch Diabetes, erhöht Ihre Chance, die Schwerbehinderteneigenschaft zu erlangen.

 

Fragen aus dem Publikum:

 

Warum ist auf den DDT keine der Firmen, die B-Teststreifen vertreiben, vertreten? Antwort von Dieter Möhler: Sie verkaufen die Teststreifen so billig, dass Messepreise für einen Info-Stand nicht im Budget enthalten sind. Sein Tipp: Die Apotheke bekommt für Ihre Umstellung auf B-Geräte und Teststreifen Geld. Schlägt Ihnen Ihre Apotheke so einen Wechsel vor, nehmen Sie Ihr Rezept wieder mit und gehen zur nächsten Apotheke. Er setzt auch bei Teststreifen auf Qualität und hält den Wechsel auf B-Teststreifen für bedenklich.

Blutzuckerteststreifen für Typ-2-Diabetiker ohne Insulin: Auch sie müssen, wenn sie durch ihre Tablettentherapie von Unterzuckerungen bedroht sind, ihren Blutzucker vor Fahrtantritt messen, erhalten die dafür notwendigen Teststreifen, s. weiter oben, aber nur vorübergehend im Einzelfall verordnet. Es ist denkbar, dass z.B. betroffene Berufskraftfahrer zukünftig einen Teil ihrer Teststreifen von anderer Seite erstattet bekommen, etwa Arbeitgebern, Rentenkasse oder anderen Sozialträgern.

 

Schlussworte

  • Beide rufen noch einmal zur Mitgliedschaft im DDB auf. Je mehr Mitglieder, desto mächtiger sind wir!
  • Dieter Möhler fordert als Patientenvertreter im G-BA einen glasklaren Auftrag von den Betroffenen:

 

„In Zukunft wird sich die Politik an der Versorgungsqualität der Diabetiker messen lassen müssen.“ (mk)