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Lauter Zuckerpässe und ein Hattrick: Sweet Euro Football Cup 2023 in Posen/Polen

Der Sweet Euro Football Cup in Polen ist viel mehr als ein Jugendturnier. Er ist ein großes Fest – und birgt einen unbekannten Weltrekord in sich.

Nach dem Schlusspfiff las sich die Angelegenheit klarer, als sie in Wirklichkeit war. Das Spiel um Platz drei der Euro League gewann der FC Diabetes gegen CukierAsy Zielone mit 5:3. Tatsächlich stand er kurz davor, seine komfortable 5:1-Führung noch einmal aus der Hand zu geben. „Wir haben gut gespielt“, bilanzierte der zwölfjährige Moritz, der dreimal getroffen hatte, „auch wenn es am Ende noch mal knapp wurde.“

So müsste dieser Artikel beginnen, wäre der Sweet Euro Football Cup ein herkömmliches Jugendturnier. Er ist aber sehr viel mehr: das vermutlich größte Fußballturnier, an dem nur Kinder mit Typ-1-Diabetes teilnehmen. Ein fröhliches, buntes, lautes, mit sehr viel Aufwand organisiertes Fest, das Mitte März in der polnischen Gemeinde Suchy Las stattgefunden hat. Deshalb sollte dieser Artikel besser mit einem mutmaßlichen Weltrekord beginnen: Dieses Turnier hat die Gemeinde-Sporthalle für ein Wochenende in den Ort mit der größten Dichte an Insulinpumpen auf Erden verwandelt – von Traubenzucker-Vorräten mal ganz zu schweigen.

Etwa 250 Kinder und Jugendliche aus insgesamt sechs Nationen kickten mit. Mittendrin die 18 Mitglieder des FC Diabetes, die Jüngsten acht Jahre alt (die Zwillinge Korbinian und Vinzenz, der mit dem Kopf das allererste Tor für den FC Diabetes erzielte), die Älteste (mit einer Sondergenehmigung spielberechtigt) fast volljährig. Eingeteilt waren sie in zwei Altersklassen: Die Älteren (die Jahrgänge 2008 bis 2010) wurden am Ende Dritte in der sogenannten Euro League, der mittleren von drei Spielklassen. Die Jüngeren (Jahrgänge 2011 und jünger) gewannen um ein Haar sogar die Champions League ihrer Altersklasse. Wie schon im vergangenen Jahr verloren sie das packende Finale denkbar knapp mit 0:1. Früh schon lagen die Kicker des FC Diabetes zurück, sie kämpften, holten sich drei Riesenchancen in den letzten 90 Sekunden, aber all das reichte nicht. Am Ende flossen bei den Kindern Tränen, die aber längst getrocknet waren, als ihnen der frühere polnische Nationalspieler und Bundesliga-Profi Andrzej Juskowiak die Medaillen um den Hals hängte.

Seit 2020 dabei: FC Diabetes

Vor fünf Jahren fand dieses Turnier zum ersten Mal statt, damals noch in Gniezno (Gnesen) und nur mit Kindern aus Polen, etwa 70 an der Zahl. Von Jahr zu Jahr wurde es dann größer: 2019 war erstmals ein englisches Team dabei, später kamen ungarische, schwedische und bulgarische Mannschaften dazu. Und im Jahr 2020 auch eine deutsche: der FC Diabetes Bayern, der eigens dafür vom Diabetikerbund Bayern ins Leben gerufen wurde. Seitdem finden die Fahrten nach Polen unter seinem Dach statt. Ein rein bayerisches Team ist der FC Diabetes nicht mehr; inzwischen spielen auch ein Österreicher und ein Karlsruher mit.

Die diesjährige deutsche Delegation war groß (und in der Halle entsprechend lautstark): drei Mädchen und 15 Buben mit je einem Elternteil, angeführt vom Trainer- und Organisationsteam Angela von Müffling-Tietscher, Thomas Kirste und Mathias Walter, und ergänzt durch Erna und Hans-Georg „Schorsch“ Grell aus Nürnberg, der als Schiedsrichter im Einsatz war. Finanziell unterstützt wurde der FC Diabetes durch die Firma Dexcom und den Rotary Club München-Bogenhausen.

Es wurde ein langes Wochenende für alle Beteiligten, der Weg nach Suchy Las (in etwa auf halber Strecke zwischen Berlin und Warschau) ist nicht eben kurz: Am Freitag startete das Team frühmorgens mit dem Zug nach Berlin. Nach der Siegerehrung am Sonntagnachmittag ging es mit dem Bus wieder heim; die Fahrt endete für die letzten erst um fünf Uhr morgens im Bett.

Suchy Las ist ein 13.000-Einwohner-Vorort der Bezirkshauptstadt Poznań (Posen). Und dort wiederum sitzt der Verein CukierAsy, der das Turnier organisiert. Übersetzt heißt das „Zucker-Asse“. Der Verein ist quasi aus einer Selbsthilfegruppe von Eltern heraus entstanden, Dutzende Kinder spielen heute dort Fußball. In Poznań gebe es eine große Diabetes-Klinik, erzählt Szymon Krauze, der sich im Verein engagiert. Und dort bekämen Kinder und Eltern mit als Erstes einen Kontakt zum Club vermittelt. Fußballmannschaften nur für Diabetes-Kinder? Polen scheint da deutlich weiter zu sein als Deutschland: Beim Sweet Euro Football Cup sind in diesem Jahr nicht nur acht Teams von CukierAsy angetreten, sondern auch zehn Teams aus vier weiteren polnischen Diabetes-Vereinen.

Szymon Krauze hat selbst eine Tochter mit Typ-1-Diabetes. Sie und auch die Frau von Szymon helfen bei der Organisation der Verpflegung und bei der Essensausgabe während des Turniers mit. Er selbst hat die Betreuung des deutschen Teams übernommen.

Etwa 50 Ehrenamtliche aus Poznań und Umgebung ermöglichen dieses Turnier, für das sie ungezählte Sponsoren akquirieren und ein breites Rahmenprogramm organisieren: Blindenfußballer lassen Interessierte mit verbundenen Augen mitkicken, es gibt ein Karate-Probetraining für Kinder und ein Bowling-Turnier für Eltern, Dawid Krzyżowski, einer der weltbesten Freestyle-Fußballer, tritt auf und vieles mehr.

Internationale Vernetzung

Für die Kinder ist all das natürlich ein Riesenspektakel, vom Fußballspielen und vom internationalen Flair ganz abgesehen: Am ersten Abend bereits verbrüdern sich die Größeren des FC Diabetes in der Hotellobby mit den Teams aus England („T1 Warriors“) und Bulgarien („FC Candy Dream“), für eine rudimentäre Unterhaltung reicht das Schul-Englisch locker. Für die Eltern wiederum bietet das Turnier auch eine Gelegenheit, Erfahrungen zu teilen. Die FC Diabetes Coaches tauschen mit verschiedenen Nationen Adressen aus, um sich zu vernetzen. Und alle zusammen eint, auch wenn es kaum ausgesprochen wird, zumindest unterbewusst das Gefühl, mit dieser Krankheit nicht allein zu sein. Wie gesagt: Vermutlich nirgendwo auf der Welt sind an diesem Wochenende mehr Insulinpumpenträger versammelt als hier in Suchy Las.

„Wer piept?“


Das hat nur einen einzigen gravierenden Nachteil, für den eine Lösung noch zu finden wäre: Startet irgendwo auf der Zuschauertribüne wegen eines hohen oder niedrigen Zuckerwertes ein Handy seinen Alarm, schrecken sofort zig Eltern (und manchmal auch Kinder) auf. „Wer piept?“ – Diese Frage ist an diesem Wochenende fast genauso oft zu hören wie der Jubel über ein Tor. (Kassian Stroh)

Ausblick auf 2024

Nächstes Jahr findet der Sweet Euro Football Cup vom 15.–17. März statt, ebenfalls in Suchy Las. Das Teilnehmerfeld wird wohl noch internationaler: angekündigt haben sich erstmals Teams aus Dänemark, Island und der Slowakei.

Der FC Diabetes e.V. ist nun ein selbstständiger Verein.
Mehr zu seinen Aktivitäten und Planungen 2024 erfahrt ihr auf der
Homepage des FC Diabetes e.V.

© Sabine Vogel
© Thomas Kirste
Ja, unsere K1DS ARE HEROES © Thomas Kirste
Professionelle Analyse und Taktik-Überlegungen des Trainer-Teams © Thomas Kirste
© Thomas Kirste
© Thomas Kirste
Team Jahrgänge 2008-2010: 3. Platz in der „Euro League“, der mittleren Spielklasse © Sabine Vogel
Team Jahrgänge 2011 und jünger - um ein Haar Sieger in der „Champions League“, der jüngsten Spielklasse © Mathias Walter
Das Organisationsteam des FC Diabetes (v.li.) Thomas Kirste, Mathias Walter, Angela von Mueffling-Tietscher © Sabine Vogel
© Kristijan Zivic
Voller Einsatz im Spiel © Ramona Angerhofer