Kolumne

Weichenstellungen für die Zukunft

Am Bahnchaos von Mainz wurde es im August sehr deutlich – vieles läuft im Moment schief. Die radikalen Personal-Einsparungen der letzten Jahre erfolgten oft genau dort, wo Menschen unersetzlich sind – fallen sie aus, herrscht Stillstand oder Chaos. Im August betraf es Mainz, aber wir haben alle gehört – es könnte überall in Deutschland passieren. Diese Situation betrifft bei weitem nicht nur die Bahn – sie ist in der Wirtschaft und der Dienstleistungsbranche weit verbreitet.

Wer trifft solche Entscheidungen? Sicher nicht diejenigen, die diese Arbeit zu leisten haben. Sie merken schon lange, dass das Limit erreicht ist, nur ihre Warnungen wurden nicht gehört. Schnell setzt dann eine Spirale ein – Überlastung, daraus resultierend vermehrte Krankheitsfälle mit der Konsequenz der Mehrbelastung der noch Gesunden, die ihre Kollegen jetzt ersetzen müssen. Lange wird das Problem nach außen hin nicht sichtbar, bis das Fass überläuft.

Lässt sich das ändern? Gelingen kann es nur, wenn Führungskräfte über den theoretischen Tellerrand schauen und die tagtägliche Praxis und Arbeitsbelastung von denjenigen kennen, über deren „Auslastung“ sie entscheiden. Menschen sind keine Maschinen und selbst die Technik kann versagen. Puffer wurden aus Gründen der Gewinnmaximierung oder Kosteneinsparung wegrationalisiert, inkl. des vorhandenen Knowhows, das damit verloren ging. Gerade da, wo Fachwissen und Erfahrung nötig sind, lässt sich kurzfristig aber kein Ersatz aus dem Boden stampfen.

Es hakt an vielen Stellen, nicht nur bei der Bahn und in der Industrie. Ein Grund sind Personalabbau aufgrund von Einsparungen, ein weiterer die Tatsache, dass viele Berufe, die heute und in Zukunft dringend in ausreichender Zahl benötigt werden – Handwerksberufe, Erzieher, Pflegekräfte – durch Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten, Arbeitszeiten bzw. -belastung - für Schulabgänger nicht gerade attraktiv sind. Dazu kommt noch, dass Altenpfleger, die eigentlich händeringend gesucht werden, an privaten Schulen ihre Ausbildung bezahlen müssen - wundert es da, dass es zu wenige gibt?

Anstatt das Problem an der Wurzel zu packen, hofft man auf die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Das wird nicht klappen, denn wir stehen in diesem Punkt in Konkurrenz zu anderen Ländern. Sie sind oft schon weiter als wir und bieten attraktivere Bedingungen – die z.B. auch deutsche Ärzte anziehen, deren teure Ausbildung wir als Gesellschaft finanziert haben.

Handwerk und soziale Berufe müssen wieder „goldenen Boden“ und vor allem auch das Ansehen in der Gesellschaft bekommen, das ihnen gebührt. Es darf nicht nur Abitur und ein abgeschlossenes Studium zählen, das höchste Ziel der letzten Jahrzehnte.

Jeder ist für diese Gesellschaft wichtig und gerade die Basis muss breit aufgestellt sein. Jeder hat Talente – der eine ist Theoretiker, der andere Praktiker - wir brauchen sie alle! Nur: wir verleihen durch unsere Wertung ersterem seit Jahren ein viel höheres Gewicht. Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn das Streben des Einzelnen in diese Richtung geht und wir vergeblich nach dem Handwerker suchen, der die Heizung oder den Wasserrohrbruch repariert!

Vor kurzem haben wir mit der Landtag- und Bundestagswahl die Weichen für die Politik in den nächsten Jahren gestellt. Arbeiten wir alle gemeinsam daran, die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Die Veränderung beginnt in den Köpfen jedes Einzelnen.

Ihre Marion Köstlmeier