Berichte Kinder & Jugend Stories

Diabetes: Herausforderung für Familien

DiaKids Schwaben, von Alice Lauria

Die Symptome sind vielfältig, starker Durst bis zu einer Trinkmenge von mehreren Litern pro Tag, vermehrter Harndrang mitunter verbunden mit nächtlichem Aufwachen oder Einnässen, Gewichtsverlust trotz Heißhunger, aber auch allgemeine Schwäche, Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Atem der nach Azeton riecht, Konzentrationsschwäche aber auch Bauchweh und Erbrechen. Die Rede ist von Diabetes mellitus Typ 1.

In Deutschland leben derzeit circa 372.000 Menschen mit der Autoimmunerkrankung, bei der sich die körpereigenen Immunabwehr gegen die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse richtet. In der Folge kann der Patient kein eigenes Insulin mehr produzieren, dieses wird jedoch gebraucht um Zucker aus der Nahrung in unsere Körperzellen zu bringen.

Diabetes mellitus Typ 1 ist derzeit nicht heilbar, aber mit einer gut eingestellten Insulintherapie ist ein fast normales, auch langes Leben möglich. Rund 32.000 der Erkrankten in Deutschland sind Kinder unter 18 Jahren. Der Typ 1 manifestiert sich meistens im Kindes- oder Jugendalter und jährlich kommen in Deutschland circa 3.700 Kinder und Jugendliche hinzu. Allein in Bayern leben rund 5.000 Kinder und Jugendliche mit Diabetes Typ 1.

Was Eltern durchmachen müssen, deren Kind eine solche Diagnose bekommt, wissen Samira Bauer aus Sielenbach und Stefan Heier aus Pöttmes aus eigener Erfahrung. Grund genug eine Selbsthilfegruppe für Eltern und Familien mit Kindern mit Diabetes Typ 1 zu gründen. Die Gruppe trifft sich im Raum Aichach, Friedberg und Augsburg ungefähr alle fünf bis sechs Wochen immer im Wechsel zwischen den drei schwäbischen Städten. Es gibt sowohl abendliche Treffen nur für die Eltern zum Austausch über Erfahrungen, medizinische und technische Neuerungen, zum Fachsimpeln und zum gegenseitigen Zuhören. Zu wissen, dass der Gegenüber die schmerzvollen und beunruhigenden Momente kennt und Nachempfinden kann, ist hier der wichtige und hilfreiche Aspekt einer solchen Gruppe.

Es finden aber auch Familientreffen mit den Kindern statt, Ausflüge und Unternehmungen, bei denen die Kinder ganz ungezwungen sein können und sich bewusst werden, dass sie mit der Krankheit nicht allein sind.

Valentin, der Sohn von Samira Bauer, war 22 Monate alt, als der Diabetes diagnostiziert wurde. Als Symptom zeigte sich lediglich eine starke Erschöpfung, die so weit ging, dass er nicht mehr allein die Treppe hinaufkam. Die junge, damals alleinerziehende Mutter vermutete einen Infekt. Im Krankenhaus zeigte sich eine besonders starke und tiefe Atmung ohne Pausen, die auch als „Kußmaul’sche Atmung“ bezeichnet wird und ein Symptom für eine schwere Ketoazidose, eine Stoffwechselübersäuerung infolge eines stark erhöhten Blutzuckerspiegels als Folge des Insulinmangels, sein kann.

Valentin verbrachte die nächsten zwei Tage auf der Intensivstation, der kleine Körper musste stabilisiert und der Blutzuckerspiegel langsam abgesenkt werden. Es folgte die stationäre Einstellung auf eine Insulinpumpe mit verschiedenen Schulungen. In den ersten eineinhalb Jahren musste täglich, auch nachts, mehrfach der Blutzucker mit einem Fingerpiks gemessen werden. Die Nadel der Insulinpumpe muss alle drei Tage neu gelegt werden. Für Kinder und ihre Eltern kann das zu einer lebensnotwendigen Tortur werden. Mittlerweile trägt Valentin zu seiner Pumpe auch einen Blutzuckersensor, der den Gewebezuckerspiegel 24 Stunden am Tag überwacht und ohne ständiges Pieken auf das Handy von Valentin und gleichzeitig auf das seiner Eltern überträgt. Nur alle zehn Tage muss dieser relativ schmerzarm ersetzt werden. Drei Jahre nach der Diagnose von Valentin, erkrankte auch seine große Schwester Emily an Diabetes mellitus Typ 1. Sie war zu dem Zeitpunkt gerade sieben geworden.

Zwischenzeitlich gibt es Pumpen, die in direkter Verbindung mit dem Blutzuckersensor stehen und automatisch reagieren, wenn der Zucker zu sehr steigt oder fällt. Die neueste Technik, macht sogar lernfähige Pumpen möglich, die in Zusammenarbeit mit dem Blutzuckersensor und mithilfe eines Algorithmus immer mehr vom Insulinmanagement des Patienten übernehmen und erleichtern können. Eine solche Pumpe trägt seit diesem Jahr die neunjährige Tochter Hannah von Stefan Heier. Hannah erhielt die Diagnose mit fünf Jahren, heuer ist sie neun.

Die Themen, die Eltern von Kindern mit Diabetes interessieren und beschäftigen, sind vielfältig. Da geht es um Austausch über Insulinpumpen, Blutzuckersensoren, hormonelle Blutzuckerentgleisungen während der Pubertät, Austausch über die Erfahrungen bei der Erstdiagnose, aber auch praktisches und rechtliches wird besprochen. Austausch über Ärzte,

Diabetesambulanzen und spezialisierte Rehakliniken. Wo kann was beantragt werden? Welchen Behinderungsgrad kann man wie für das Kind beantragen? Was stehen einem für Unterstützungen zu? Welcher Pflegegrad wird Kindern mit Typ 1 Diabetes zugesprochen? Es geht aber auch um Mittagessen in Schule und Kindertageseinrichtungen. Wo kann die Kohlenhydratmenge im Essen eingesehen werden, damit das Kita-Personal entsprechend die Pumpe bedienen und Insulin abgeben kann?

In der Schule können viele betroffene Kinder dies dann oft schon allein. Die Selbsthilfegruppe soll Eltern helfen sich mit dieser beängstigenden Diagnose ihres Kindes nicht allein zu fühlen. Auch Treffen speziell für Teenager werden durch die Gruppe organisiert - hier wird zum Bowlen gegangen.

Informiert wird über die kommenden Events über eine Whats-App-Gruppe und einen E-Mail-Verteiler. Kontaktieren kann man die Selbsthilfegruppe über diakids.schwabendiabetikerbund-bayern.de. Ansprechpartner sind Samira Bauer (0163-75 39 145) und Stefan Heier (08253-55 33 962, nur Anrufbeantworter). (Alice Lauria)

Emily (10) & Valentin (8) sind die zwei ältesten Kinder von Samira Bauer. Beide haben Diabetes Typ 1. Sie tragen eine Insulinpumpe sowie einen Sensor zur Messung des Gewebezuckers. Die Diagnose ihrer Kinder war für Frau Bauer ein Schock. Heute gehört das Diabetesmangement fest zum Alltag der Mutter von drei Kindern. © Alice Lauria
Samira Bauer aus Sielenbach und Stefan Heier aus Pöttmes haben gemeinsam die Selbsthilfegruppe DiaKids Schwaben gegründet. © Alice Lauria