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„Es reicht!“ DDB demonstriert für den Erhalt Erstattungsfähigkeit von Teststreifen

Deutscher Diabetiker Bund (DDB) demonstriert für den Erhalt der Erstattungsfähigkeit von Teststreifen

Gleich zweimal demonstrierte der Deutsche Diabetiker Bund(DDB), Deutschlands größte Selbsthilfeorganisation für Menschen mit Diabetes in Berlin! Der Grund: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) will die Verordnungsfähigkeit von Blutzuckerteststreifen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen für Typ-2-Diabetiker, die nur mit Tabletten behandelt werden, nahezu ausschließen und nur noch in besonderen, ganz eng gefassten Ausnahmen kurzfristig zulassen. Dabei ist unerheblich, mit welchen Wirkstoffen die Betroffenen behandelt werden – alle werden über einen Kamm geschert, auch die, deren Tabletten Unterzuckerungen auslösen können.

Das einfach hinnehmen will der DDB nicht und deshalb rief er sowohl am Tag der Beratungen des Unterausschusses Arzneimittel am 8. Februar als auch am Tag der Entscheidung am 17. März zu Demonstrationen vor dem Gebäude des G-BA in der Wegelystr. 8 in Berlin auf.

Sowohl am 8. Februar wie auch am 17. März kämpften rund 200 Demonstranten – immer auch mit bayerischer Beteiligung - vor dem Gebäude des G-BA für den Erhalt der Erstattungsfähigkeit ihrer Blutzuckerteststreifen.

Patienten sind nicht der Sparstrumpf des Gesundheitswesens

Am 17. März wollten mehrere hundert Demonstranten vor dem Gebäude des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine Beschlussfassung zur Verordnungsfähigkeit von Blutzuckerteststreifen bei nicht insulinpflichtigen Diabetikern in letzter Minute verhindern. Aber auch die zweite Demonstration vor dem G-BA innerhalb von fünf Wochen konnte keinen Sinneswandel herbeiführen. Deshalb zogen die Demonstranten anschließend vor das Bundesgesundheitsministerium. Sie überreichten dort ihre Forderung, dass der Minister den Beschluss nicht wirksam werden lässt.

Die Entscheidung von Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler muss nun abgewartet werden.

Mit einem lauten Pfeifkonzert machten die Teilnehmer vor dem G-BA-Gebäude und später vor dem Bundesgesundheitsministerium auf ihr Anliegen aufmerksam.

„8 Mio. Diabetiker sind auch Wähler“. Mit solchen und ähnlichen Transparenten haben die Betroffenen auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Doch das Plenum des G-BA hat den Verordnungsausschluss von Blutzuckerteststreifen für Typ-2-Diabetiker mit oraler Therapie beschlossen. Von der Entscheidung sind rund 4,7 Millionen Menschen mit Diabetes betroffen. Für das Selbstmanagement der Patienten ist die Blutzuckerselbstmessung unerlässlich. Durch Blutzuckertests können sie gefährliche Unterzuckerungen frühzeitig erkennen und eine gute Blutzuckereinstellung erreichen.

Nach der Beschlussfassung machten die Demonstranten ihrer Wut vor dem Bundesgesundheitsministerium Luft. Sie übergaben dem Vertreter von Minister Dr. Philipp Rösler die Forderungen des Deutschen Diabetiker Bundes und forderten den Minister auf, den Beschluss zu kippen und auch zukünftig eine patientenindividuelle Therapie zu ermöglichen.

Starke Signalwirkung

„Ich erhoffe mir durch die Demonstrationen eine starke Signalwirkung auf das Bundesgesundheitsministerium, die Belange chronisch kranker Diabetiker zu beachten und ihnen eine weitere Teilhabe an unserer Gesellschaft in den Bereichen Freizeit und Beruf zu ermöglichen“, betonte der DDB-Bundesvorsitzende Dieter Möhler. Diabetiker müssen z.B. in bestimmten Situationen ihre Fahrtauglichkeit durch eine Blutzuckermessung selbst nachweisen, um sich und andere Menschen im Straßenverkehr nicht zu gefährden.

„Im Rahmen der Kostensenkung im Gesundheitswesen gibt es ständig neue Beschlüsse, die insbesondere Diabetiker betreffen. Nach den Insulinanaloga, nach Glitazonen und Gliniden, sind jetzt die Blutzuckerteststreifen dran“, sagte der DDB-Vorsitzende Dieter Möhler zu den Teilnehmern. „Für Typ-2-Diabetiker, die kein Insulin spritzen, wird die Umsetzung des Beschlusses erhebliche Einschränkungen bringen.“

Der Deutsche Diabetiker Bund vertritt die Auffassung, dass „nicht jeder alles haben muss. Aber es muss jeder das bekommen, was er braucht, um seinen Diabetes im Griff zu behalten“, sagte er. „Blutzuckermessung heißt auch, dass man den Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention zur Teilnahme am Leben wirklich näher kommen kann. Wir fordern, dass die Ärzte die Verantwortung dafür übernehmen, wer messen kann und wer messen muss.“

Forderungspapier übergeben

„Es kann nicht sein, dass es zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen gibt, die zeigen, wie wichtig die Blutzuckerselbstmessung ist, und diese jetzt eingeschränkt werden soll“, erklärte Dieter Möhler. Er übergab Herrn Ministerialrat Joachim Becker als Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums ein Papier des DDB, in dem der Bundesgesundheitsminister als Aufsichtsbehörde aufgefordert wird, dem Beschluss des G-BA zu widersprechen, um die Verordnungsfähigkeit von Blutzuckerteststreifen durch die gesetzlichen Kassen weiterhin zu erhalten und eine patientenindividuelle Therapie sicherzustellen.

Ziel der ersten Demo am 8. Februar: „Wir wollen bei den Entscheidungsträgern das Verständnis wecken, dass die Blutzuckerselbstmessung nicht zu unserem eigenen Vergnügen geschieht.“ Die Verantwortlichen müssten zudem „endlich aus ihrer Anonymität herauskommen“ und erkennen, „dass sie gegen die Menschen entscheiden, wenn sie entsprechende Diagnostika oder Medikamente mit

Verordnungsausschlüssen belegen.“ Dieter Möhler sprach vom „Irrsinn und Medizin der 70er Jahre, in die der Patient durch den G-BA gedrängt werde.“

Am 8. Februar übergaben Dieter Möhler und sein Stellvertreter Prof. Dr. Hermann von Lilienfeld-Toal dem Vorsitzenden des G-BA, Dr. Rainer Hess, ein Forderungspapier des DDB. „Wir sind in einem laufenden Verfahren, das nicht dazu dient, Blutzuckerteststreifen auszuschließen, sondern sie unter qualitativen Bedingungen auf das Notwendige zu begrenzen“, erklärte Hess gegenüber den Demonstranten. Hier sprach er von einem „deutlichen Missbrauch bei der Verwendung von Blutzuckerteststreifen in der Vergangenheit, der beendet werden muss.“ Dafür wurde er von den Demo-Teilnehmern ausgebuht. (Pressemitteilungen DDB)

Teilnehmereindrücke zum 17. März: Aus etlichen Landesverbänden – inkl. Diabetikerbund Bayern - waren Betroffene angereist und standen um 11 Uhr vor dem Gebäude des G-BA in der Wegelystr. bereit, ihre Interessen zu vertreten. Unterstützt wurden sie durch Bundesgeschäftsführer Manfred Flore und seinen Assistenten Mirko Peters. Auch der Bundesvorsitzende Dieter Möhler, der als Patientenvertreter die Interessen der Diabetiker im G-BA vertritt, aber leider kein Stimmrecht hat, traf bereits vor 11 Uhr am Ausschussort ein. Gegen 11:30 Uhr gab Herr Flore mit der „Flüstertüte“ das Kommando für die Trillerpfeifen der Demonstranten, die mit Spruchbändern und Transparenten den eintreffenden Ausschussmitgliedern unmissverständlich ihre Forderungen nahe brachten. Auch nach Sitzungsbeginn trillerten die Demonstranten weiter und zeigten dem Gremium, dass sie nicht klein beigeben werden. Gegen 13 Uhr - kein Lächeln im Gesicht - trat Dieter Möhler heraus und verkündete die befürchtete Entscheidung des G-BA.

Es ist traurig, dass dieser Beschluss den Verlust des wichtigsten Instruments des Diabetesselbstmanagements bedeutet. Noch trauriger ist, dass künftig Menschen einer größeren Gefahr diabetischer Folgeschäden ausgesetzt werden, um schnell ein paar „Kröten“ einzusparen - „Kröten“, die bei Folgeerkrankungen mehrfach wieder fällig werden. Es kann festgehalten werden, dass mit dem Beschluss wieder einer Gruppe chronisch Kranker ein Stück Teilhabe am normalen Leben verwehrt wird - trotz des Schutzes durch das auf dem geduldigen Papier stehenden „Gleichstellungsgesetzes“.

Unbeschadet der Hiobsbotschaft machten wir Demonstranten uns auf Weg zur Friedrichstraße 108, 10117 Berlin, dem Sitz des Bundesgesundheitsministeriums, um dort eine Unterschriftenliste an den Staatssekretär zu übergeben, verbunden mit dem Appell, die Entscheidung des G-BA nicht durchzuwinken und dem Versprechen, andernfalls wiederzukehren.

Es bleibt die Erkenntnis, dass wohl acht Millionen Diabetiker auch kein unbedeutendes Wählerpotential wären - wenn sie diese Messlatte an jede eigene Wahlentscheidung anlegten und alle zur Wahl Stehenden auf „Nieren und Diabetes“ prüften. Zur Erinnerung: Es finden demnächst Sozialwahlen in den Kassen statt. Auch hier sollten wir darauf achten, „unsere“ Patientenvertreter zu wählen. Wir sind unangefochten Weltmeister im Jammern - aber Lahmarsch-Weltmeister im Handeln.

Ca. 200 Teilnehmer waren jeweils in Berlin: Wir haben das Gen zur Anlage von Zähnen gezeigt - mehr nicht! Wenn dieses Engagement so anhält, kann bald jeder zu uns sagen: „Diabetiker nehmt, was ihr kriegt - es ist ohnehin mehr als Euch zustünde. Wollen wir das - oder sollte es nicht ein bisschen mehr sein? Wir kriegen nichts von selbst, wir müssen etwas dafür tun!

Klaus Walter, Beisitzer im Landesvorstand