Kolumne

Sparen auf unserem Rücken

Turbulent waren die vergangenen Monate: Gesundheitsreform und die zukünftige medizinische Versorgung waren Dauerthema. Es wurde intensiv über die notwendige Gesundheitsreform diskutiert, die Kopfpauschale der FDP drohte. Dazu ist es nicht gekommen, sondern - ach, welch Überraschung: Die Krankenkassenbeiträge steigen zum Jahreswechsel, der Arbeitgeberanteil wird festgeschrieben, d.h. alle zukünftigen Erhöhungen finanzieren ganz allein die Arbeitnehmer! Meiner Meinung nach schon ungerecht, denn die Arbeitgeber profitieren ja von fitten und gesunden Arbeitnehmern. Noch dazu hat die Arbeitsbelastung und der Druck in vielen Branchen/Betrieben in den vergangenen Jahren sehr stark zugenommen, das zeigt besonders auch der Anstieg psychischer Erkrankungen!

Der kleine Bürger soll also immer tiefer in die Tasche greifen! Die Chance, die Beitragsbemessungsgrenze zu erhöhen und somit Besserverdienende mit ins Boot zu holen, wurde wieder einmal vertan! Schade. Nun gut, diese lang diskutierte und dann doch sehr schnell aus dem Boden gestampfte Gesundheitsreform steht – bis zur nächsten Reform.

Es kostet also alles mehr, aber: Können wir nun sicher sein, auch eine gute medizinische Versorgung zu erhalten? Leider nein! Auch bei den Gesundheitskosten wird gespart, viele von Ihnen haben schon Einiges an Erfahrung mit Rabattverträgen und daraus resultierend ständig neue Tabletten. Neue Idee: Einsparen von Schulungen für z.B. Diabetiker! Dabei ist uns allen aber vollkommen klar, dass gerade Schulung hilft, viele Folgeerkrankungen zu vermeiden – hier blitzen aktuell die, wie ich finde, „nur“ 300 Millionen Euro Einsparung in den Augen der Gesundheitsökonomen auf. Was die Zukunft bringen mag, ist ihnen egal und der Politik ebenso, sofern sich die Auswirkungen erst nach der nächsten Wahl zeigen! Der Bumerang kehrt zurück und wird ein Vielfaches kosten!

IQWiG und G-BA arbeiten daran, die Verordnungsfähigkeit von vielen Diabetesmedikamenten und Blutzuckerteststreifen drastisch einzuschränken. Im Fokus stehen neuere Therapieoptionen wie kurz- und langwirksame Analoginsuline, Glinide und Glitazone, Blutzuckerteststreifen bei nicht mit Insulin behandelten Patienten und noch so einiges. Rückschritt ins diabetische Mittelalter droht! Rabattverträge bedeuten leider auch keine Garantie der Verordnung mehr, die Kassenärztliche Vereinigung Bayern hat einen anderen Trick gefunden, die Verordnung der langwirksamen Insulinanaloga zu drosseln: Trotz Rabattverträgen fließen in die Budgets der Ärzte die Bruttobeträge ein, Regress droht. Gegen all das laufen jetzt Diabetologen zusammen mit Patienten Sturm – schließen Sie sich an und lassen Sie sich das nicht bieten!

Aufgrund von viel Kritik sah sich der G-BA sogar gezwungen, eine Pressemitteilung heraus zu geben, die zeigen soll, dass der G-BA die „Erfordernisse und Nöte behinderter und chronisch kranken Menschen besonders berücksichtigt“ – komisch, davon habe ich in den letzten Monaten nichts gemerkt!

Wo bleibt die Nachhaltigkeit? Nur mal kurz über den Tellerrand schauen und etwas scheinbar Unnützes über Bord werden – das kann und darf es nicht sein!

Wenigstens ein paar Sachen sind gut verlaufen: Endlich gibt es neue Richtlinien für die Anerkennung von Diabetikern als Schwerbehinderte! Gut eingestellte Typ 1 Diabetiker werden für diese Leistung nicht mehr bestraft! Und: Die Entscheidung zur Erstattungsfähigkeit für kurzwirksamer Insulinanaloga für Typ 1 Diabetiker ist auf den Herbst vertagt – auch ein Verdienst des Protests! Heißt aber leider noch nicht, dass das  Eisen vom Feuer ist!

Die Herausforderungen an die Zukunft liegen für mich im Analysieren der Probleme mit vernünftigem Weit- und Rundumblick. Das geht nur durch das Zusammenwirken aller Beteiligter – es reicht nicht, wenn uns Ökonomen einen Packen Zahlen auf den Tisch knallen! Es geht hier um Menschen, die medizinische Unterstützung benötigen!

Hoffen wir, dass alle Entscheidungsträger erholt und mit klarerem Kopf aus dem Urlaub kommen und endlich konstruktive Lösungen bzw. Korrekturen erarbeitet und realisiert werden!

Ihre Marion Köstlmeier, DiabetesLotse DDB