Kolumne

Frieden und Ehrlichkeit

Es ist der Vorabend des Weltdiabetestages 2015. Ich habe gepackt für unseren Info-Stand beim aus diesem Anlass ausgerichteten Diabetestag in Landshut und sitze am Computer, um die in groben Zügen fertige Kolumne dieses kontakt – vorgesehen war ein Jahresrückblick – auszuarbeiten.


Ein ganz normaler Abend – Fußballdeutschland sitzt vor den Fernsehgeräten oder in Kneipen und Lokalen, um sich das Freundschaftsspiel zwischen Frankreich und Deutschland anzuschauen. Viele von Ihnen waren sicher auch live dabei. Morgens hatte die Bombendrohung auf das Hotel unserer Mannschaft schon für etwas Unruhe gesorgt, mit dem, was dann abends erfolgte, hatte niemand gerechnet.


Dass wir dieses Spiel verloren haben, wurde schnell absolute Nebensache. Mannschaften wie Besucher haben diese Terrornacht überlebt, das war das Allerwichtigste. Bange Stunden für alle, die in dieser Nacht selbst in Paris waren, bange Stunden für Angehörige zuhause. Ein Stück Erleichterung gab es mit dem ersten Lebenszeichen, wirkliche Erlösung erst mit der gesunden Heimkehr!


Über 100 unschuldige Menschen haben an diesem Abend ihr Leben durch ein paar Wenige verloren, viele wurden teils schwer verletzt. Alle Überlebende werden diese Bilder nie vergessen. Sie wollten einfach nur einen schönen Samstagabend genießen. Und dann das - unfassbar. Wie sagte sinngemäß ein Vater, der um seinen Sohn trauerte: „Ich wollte ihm mit der Konzertkarte ein Freude machen – jetzt hab ich ihm den Tod geschenkt.“


Ich wünsche allen, die Freunde oder Verwandte verloren haben oder verletzt wurden, viel Kraft, diese Katastrophe zu verarbeiten und irgendwann wieder ihr Leben ohne Angst genießen zu können.


Weltdiabetestag – auch hier geht es um Leben und Tod. Dank Banting und Best und den eher unbekannten Mitbeteiligten Collip und MacLead gibt es für Typ-1-Diabetiker ein Überleben – noch nicht sehr lange, erst seit 1922, als mit Leonard Thompson der erste Mensch mit Insulin behandelt wurde. Das sind noch nicht einmal 100 Jahre!


Weil Banting, Best und Collip, gemeinsame Patentinhaber des Insulins, dieses für einen symbolischen Dollar an die Universität von Toronto verkauften und nicht persönlichen Profit daraus schlugen, war es bald in vielen Teilen der Welt verfügbar. Sie haben mit ihrem Forschergeist, ihrem Mut und ihrer Bescheidenheit die Welt für alle insulinpflichtigen Diabetiker zum Positiven verändert. Sie sollten uns ein Beispiel sein – so geht das und nicht mit Waffen und Sprengstoff!


Geld regiert heute die Welt. Es sorgt für viel Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Ehrlichkeit ist, wie es scheint, fehl am Platz. Man denke um den Skandal der manipulierten Abgaswerte. Lange ist das gut gegangen, jetzt wird es bitter – für den Konzern, hoffentlich für die wirklich Verantwortlichen und nicht für die, die ehrlich und hart arbeiten. Gelackmeiert sind auch alle Autokäufer – sie müssen sich auf die Daten zu Verbrauch und Abgaswerten in den Hochglanzbroschüren verlassen. OK, die Diskrepanz beim Kraftstoffverbrauch zwischen Broschüre und unserer Alltagsrealität – sie hätte uns vielleicht stutzig machen sollen?! Wir scheinen uns mit der teuren „Fehlinformation“ abgefunden zu haben.


Geld regiert die Welt – auch im Sport. Siehe den Skandal um die Vergabe unseres „Sommermärchens“ und das systematische Doping der russischen Leichtathletik. Die Mächtigen ziehen die Fäden, andere müssen mitspielen. Wir Unbeteiligte vermuten oft etwas, aber die Mauer des Schweigens ist dick und hoch und gut gesichert! Aber nicht für die Ewigkeit gebaut...


Ich wünsche mir und uns allen, dass es uns gelingt, die Welt 2016 friedlicher, gerechter und ehrlicher zu machen – wir alle können dazu unsere kleinen Scherflein beitragen: Gemeinsam wird was Großen daraus.


Einfach wird das nicht, vielleicht hilft uns der Gelassenheitsspruch, der in den meisten Quellen Reinhold Niebuhr zugeschrieben wird:


Gib mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann;
gib mir den Mut,
Dinge zu ändern, die ich ändern kann;
und gib mir die Weisheit,
das eine vom anderen zu unterscheiden.


Dies war laut Spiegel 12/1993 auch ein Leitspruch von Helmut Schmidt, der zweifellos viel Gutes in seinem Leben mit seiner Entschiedenheit und Geradlinigkeit geleistet hat und von dem wir 2015 Abschied nehmen mussten.


Ihre Marion Köstlmeier