Berichte

83 Jahre alt, 79 Jahre Diabetes Typ 1 - 70 Jahre Mitglied im Bund – das geht!

Es war in den letzten Apriltagen des Jahres 1945, als ein kleiner Bub seinen 4. Geburtstag feiern konnte.

Die Familie hatte natürlich alles getan, und das war sicherlich nicht einfach, um ihn und ein paar kleine Gäste mit Kuchen und süßem Kakao zu bewirten. Das Ergebnis zeigte sich sehr schnell. Der Kleine kam den ganzen Nachmittag nicht mehr von der Toilette runter und hatte dann immer wieder mit großem Durst den restlichen Kakao getrunken.

Der dann gegen Abend gerufene Kinderarzt erkannte den ausgebrochenen Diabetes sofort. Dann verlieren sich meine Erinnerungen und als nächstes wachte ich bei Dunkelheit in einem Keller auf. Ich hörte Schüsse und wusste nicht, wo ich war. Es war in der Nähe von meinem Heimatort, in Ohlstadt, wo damals die Schwabinger Kinderklinik ausgelagert war. Und die Schüsse kamen von den anrückenden US-Soldaten. Leitung der Klinik, und das kann ich nach vielen Jahren durchaus konkret sagen, hatte die junge Kinderärztin Dr. Stöber. Das Nächste, was mir dazu noch einfällt ist, dass ich nach 6 Wochen den ersten Besuch von meiner Großmutter bekam.

Später erfuhr ich, dass die Insulin-Beschaffung schon während des Klinikaufenthaltes ein großes Problem war. Glücklicherweise hatte die Familie eine gute Verbindung zur Winthir-Apotheke in München. Es sollte auch in den nachfolgenden Jahren immer wieder Schwierigkeiten mit der Insulin-Beschaffung gegeben haben.

Langsam rückte die Schulzeit heran und der tägliche Weg von 2 km, hin und zurück, war sicherlich gesundheitlich gut für den Diabetes. Im Winter bei starkem Schneefall hinten über die Wiesen - nicht immer gerade erfreulich.

In dieser Zeit gab es häufig Umstellungen auf andere Insuline, die meist in der Klinik vorgenommen wurden. Auch der Beitritt zum Diabetikerbund erfolgte in dieser Zeit, das war wohl 1953. Herr Beining hatte uns damals in Garmisch-Partenkirchen besucht. Und die Folge davon war die Anmeldung zum Diabetikerbund. Kurz darauf konnte ich an zwei Ferienlagern teilnehmen und zwar einmal im Schwarzwald (dort lernte ich auch den Arzt und Hochschullehrer Horst-Günther Krainick und seine Frau kennen, die später von dem Vietcong ermordet wurden) und zum Anderen auf der Insel Langeoog.

Nach Volksschule und Handelsschule konnte ich ein Jahr nach England gehen und wurde dort zu Lasten des englischen Steuerzahlers (National Health) umgestellt, da das deutsche Insulin nicht eingeführt werden konnte. Zurück aus England begann ich eine Banklehre und trat damit in das Arbeitsleben ein, das mich dann im Bankbereich und im Einzelhandel weiterhin begleiten sollte.

Anfang der 60iger Jahre machte ich eine Fahrrad-Tour durch Süd-Skandinavien, die trotz weniger Messmöglichkeiten gut verlief.

Da mein Beschäftigungsbetrieb sehr bald im neuen Jahrtausend seine Pforten schloss, und ich selbst fast an der Altersgrenze war, habe ich mich entschlossen, vorzeitig die Rente zu beantragen. Erwähnen möchte ich hier allerdings, dass mir der Arbeitgeber bestätigt hat, dass ich in den 25 Jahren Tätigkeit keinen einzigen Tag aus gesundheitlichen Gründen gefehlt habe.

Endlich kam der Ruhestand, der ziemlich „unruhig“ wurde. Bereits in den 80iger Jahren hatte ich nebenbei mit Kursen für Gesellschaftstanz begonnen und sollte diese mit meiner Lebensgefährtin Josefine bis heute weiterführen. Zweimal wöchentlich arbeite ich noch im Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen, und da, anscheinend nicht ausreichend beschäftigt, noch in der Partenkirchner Bücherei des St. Michael-Bundes.

Trotz Diabetes möchte ich mein Leben nicht missen und ich hoffe, dass mir noch einige Zeit der Tätigkeit verbleibt.

Herzlichen Dank allen, die mich begleitet haben und auch geholfen haben, die Krankheit zu bewältigen. (Werner Adam)

Mitgliedsjubilar Werner Adam mit seiner Lebensgefährtin © Werner Adam