Berichte Kolumne

Überall „Geld“ – wo bleibt der Mensch?

„Geld“, „Kosten“, „Rendite“ auf der einen Seite – der Mensch, fehlende Pflegekräfte, Erzieher und Handwerker auf der anderen Seite. Dieser Gegensatz fällt mir in der Berichterstattung der letzten Monate ständig auf. Dabei: Was ist Geld ohne Mensch? Sollte uns allen nicht der Mensch das Wichtigste sein? Ein paar Beispiele:


Viele Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg wurden in den Wintermonaten gefunden und entschärft, darunter einer in Fürth. Die Bombe ist Gott sei Dank nicht hochgegangen! Das ist doch ein Grund zur Freude, denn es kann ganz anders ausgehen! Vielleicht genau deshalb stieß mir das Interview mit dem Geschäftsführer einer von der Evakuierung betroffenen Firma schwer auf: Da war kein Aufatmen, sondern es ging um den monetären Schaden, den die Firma durch den Stillstand erlitten hat! Kein Gedanke daran, was passiert wäre, wenn die Bombe bei den Bauarbeiten einfach hochgegangen wäre. Das hätte sehr sicher Menschenleben gekostet, zudem viel zerstört – wenige Stunden Ausfall versus dieser möglichen Auswirkungen! Wir können doch froh sein, wenn alle "heil raus kommen". Die Situation ist für niemanden schön und immer eine große Herausforderung – für alle, die im Evakuierungsgebiet leben oder arbeiten, für die Einsatzkräfte und natürlich ganz besonders für diejenigen, die für uns diese hochgefährlichen Sprengkörper entschärfen!


Anderes Beispiel: Die Grippe-Saison 2017/2018: Die meisten Krankenkassen hatten Verträge für den Dreifachimpfstoff abgeschlossen – das Einsparpotential gegenüber dem Vierfachimpfstoff war klein, unter einem Euro pro Dosis. Nun setzte sich in dieser Saison ausgerechnet der Virenstamm durch, der im Dreifachimpfstoff fehlte. Geimpfte waren unzureichend geschützt. Glück hatten nur diejenigen, die sich seit Jahren regelmäßig impfen lassen, denn in einer Vorgängerimpfung war dieser Influenza-Stamm enthalten. Was passierte? Es erkrankten unverhältnismäßig viele Menschen an Influenza. Die Verläufe waren oft schwer und bedingten Klinikeinweisungen. Es traf besonders Kinder und Menschen im arbeitsfähigen Alter. Wer schon einmal die richtige Grippe hatte, weiß, dass es bis zur vollständige Genesung lange dauert. Hier müssen wir jetzt wirklich zum Geld kommen: Hätte sich der Vierfachimpfstoff da nicht gelohnt? Endlich wird gehandelt, der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat den Vierfachimpfstoff festgeschrieben - das sollte zeitlich für die nächste Saison auch hoffentlich reichen, denn die Entwicklung und Herstellung der Impfstoffe hat einen längeren Vorlauf!


Weiteres Beispiel, wie Geld die Welt regiert und der Mensch nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint: Die Insulinpumpe Animas® Vibe® ist nicht mehr erhältlich. Warum? Die Vertriebsfirma Johnson & Johnson Medical GmbH hat nicht genug mit ihr verdient. Dass viele Nutzer mit ihr zufrieden waren, zählt da nicht. Auch nicht, dass nur diese Pumpe und die Pumpen von Medtronic ein CGM-System integriert haben. Ich bin sicher: mit mehr Engagement im aktiven Vertrieb zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades und die Weiterentwicklung in Richtung Cloosed Loop hätte den Erfolg gebracht – für die Firma und die Nutzer. Wenn es aber vorwiegend um den schnellen Gewinn geht ...


Oder: Jobabbau bei großen DAX-Unternehmen in Deutschland, obwohl die Zahlen mehr als stimmen. Das ist Gewinnmaximierung auf Kosten derjenigen, die den Gewinn an der Basis erarbeiten. Dabei sollen diese Menschen in irgendeiner Form auch Endabnehmer sein! Die Chefs dieser Unternehmen erhalten Monats-Gehälter, die für den normalen Angestellten noch nicht einmal vorstellbar sind. Und am allermeisten ärgert mich, wenn getrickst wird auf Kosten der Kunden – siehe Diesel und die drohenden Fahrverbote. Jetzt sind die Diesel dran, in wenigen Jahren dann die Benziner. Den Schritt in die richtige Richtung, sicher nicht das Elektroauto, sondern die Brennstoffzelle, hat die deutsche Autoindustrie leider bisher verschlafen. Wer löffelt die Suppe jetzt aus?


Erzieher, Pflegekräfte und Handwerker sind heute „Mangelware“ und landauf, landab heiß umworben – in Ballungsräumen noch viel mehr: Aber: Wie sollen sie dort arbeiten, wenn sie die Mieten nicht mehr zahlen können? Wir brauchen für alles, was unsere Gesellschaft aufrecht erhält und funktionieren lässt, die entsprechende Wertschätzung. Das beinhaltet natürlich auch die finanzielle Ausstattung, die es ermöglicht dort gut zu leben, wo man gebraucht wird.


Wir optimieren uns und alles um uns herum immer noch ein Stück mehr – Hauptsache, das Geld/die Rendite stimmt. Dabei profitieren nur wenige direkt – diese werden immer reicher, die breite Masse kriegt wenig davon ab. Aber genau sie sind es, die die Hauptlast tragen. Ich weiß nicht, wohin das noch führen wird. Wie sollen junge Menschen in der Pflege, im Handwerk oder als Erzieher ihr Leben finanzieren können? Wie finden junge Familien bezahlbaren Wohnraum, von dem aus sie nicht stundenlang in die Arbeit pendeln müssen?


Ich wünsche mir, dass wir die Kehrtwende zu mehr Aufmerksamkeit für „Mensch“ und weniger für „Geld“ hin bekommen.


Ihre Marion Köstlmeier