Berichte Kolumne

Soziale Distanz

Heute schreiben wir den 15. Mai. Zufällig hörte ich die Aufzeichnung einer BR-Rundschau vom 27. Februar - da sah man Großveranstaltungen wie dem Derblecken mit Vorfreude entgegen, ein Wochenende mit vielen Sportereignissen stand bevor, Corona war ein ziemlich kleines Thema in dieser Nachrichtensendung - die Welt lief ganz normal.

Was dann kam, haben wir alle miterlebt. Unser Leben sieht heute sehr viel anders aus als damals, auch wenn wir nach dem Lockdown in kleinen Schritten auf dem Weg zurück sind – in die alte oder in eine neue Normalität?

„Social Distancing“ - keinen persönlichen Kontakt zu allen, die nicht im Haushalt leben: das war schwer für uns. Klar, die heute möglichen Videokonferenzen sind klasse, aber ist das im privaten Umfeld ein vollwertiger Ersatz? Was hab ich mich gefreut, am Muttertag zum ersten Mal nach zwei Monaten meine Töchter mit Schwiegersöhnen wieder sehen zu dürfen! Leibhaftig am Tisch zusammenzusitzen – das ist schön, trotz Distanz und fehlendem In-den-Arm-nehmen. Und: Ich freute mich für alle Großeltern und Enkelkinder – auch für sie war die harte Durststrecke vorbei und Zusammensein wieder möglich.

Ein Frisörtermin – früher nicht der Rede wert – nach dem Corona-Lockdown DAS Highlight des Monats! Die Frisöre schnitten von früh bis spät, um dem Andrang hinterher zu kommen. Alle Läden wurden schrittweise wieder geöffnet – super, aber im Vergleich zu früher ist es doch ein ganz anderes „Einkaufserlebnis“ durch die, zweifellos sinnvollen, Hygiene-Regeln inkl. der Maskenpflicht.

Die Schulen öffneten Schritt für Schritt – Kinder, Eltern und Lehrer haben vieles, fast unmögliches, miteinander geschafft! Hut ab vor allen – engagierten Lehrern, die digitale oder analoge Lernmaterialien bereit stellten, und Eltern, die ihre Kinder im Homeschooling unterstützten, oft neben eigener Homeoffice oder Arbeit im systemrelevanten Beruf! Und das lange Zeit ohne Entlastungsmöglichkeit durch Großeltern oder Netzwerke von Familien untereinander.

Es liegen Monate hinter und noch vor uns, die ganz anders aussehen als ein „normales Jahr“: Keine vollen Fußballstadien, keine sportlichen Großveranstaltungen wie Olympia und Co, keine großen Volksfeste und bis mind. 31. August auch keine kleinen. Um den Sommerurlaub in der Ferne wird noch gebangt – von den Urlaubern, aber auch Reiseveranstaltern, Hoteliers, Fluglinien und allen, die sonst noch „dran hängen“.
Familienfeste sind der Pandemie zum Opfer gefallen, darunter viele Hochzeiten – einmalige Feiern im Leben der Paare, mit langer, liebevoller Vorarbeit für diesen ganz besonderen Tag. Ja, das hat auch unsere Familie „getroffen“ – wir hätten gerne die Hochzeit unserer Tochter gefeiert. Aber Corona machte sie unmöglich – das Kleid hängt noch ungeändert im Brautmodengeschäft, die Kirche hüllte sich in Schweigen (sieht so Seelsorge aus?), die Detail-Vorbereitungen gestoppt durch den Lockdown. Verlegen? Wohin? Wann kann man wieder eine große Hochzeit feiern? Vor dieser Frage stehen viele, die Großes vor haben.

Mein Kalender war ungewöhnlich leer, die Bahncard blieb nahezu ungenutzt, unser IsarCard-Abo auch – wohin sollte es auch gehen? Ausgangsbeschränkungen beschnitten unser aller Aktionsradius auf das Nötigste.
Mehr Zeit zu haben, weil man nicht immer unterwegs sein muss – das ist auch mal eine neue Erfahrung – und schön. Es ist die Chance, aus Zeitgründen brach liegende Fähigkeiten wiederzubeleben. Ich habe viel genäht – darunter natürlich auch viel Behelfs-Mund-Nasen-Schutz, andere waren für ältere Mitbürger einkaufen, künstlerisch Begabte haben über die Balkone musiziert.... Freiräume machen kreativ!

Aber ich vermisse die vielen Gespräche am Infostand bei Diabetikertagen oder im Familienkreis Diabetes – ja, besonders letzteres. Zwei Elterntreffs sind schon ausgefallen und mind. ein Familienevent – wir waren gerade in Abstimmung um Termin und Örtlichkeit: Tier- oder Wildpark? Dennoch – auch ohne Treffen helfen wir einander, wie so viele Gruppen es auch tun – jede auf ihre Art und nach ihren Möglichkeiten, per Telefon, via E-Mail oder Videokonferenz. Aber eines ist uns gemein – wir freuen uns darauf, wieder los zu legen, sobald es vertretbar ist.

Jeder Schritt zurück in die Normalität ist schön, aber manchmal bin ich auch besorgt, wir könnten zu schnell unterwegs sein und einen bösen Rückschlag erleiden. Denn eins ist sicher: erst mit einer zuverlässigen Behandlungsoption, die das Virus besiegen kann, oder einer Impfung – beides in ausreichender Menge – können wir wirklich aufatmen.

Bleiben Sie gesund und genießen das, was uns der Augenblick bietet!

Ihre
Marion Köstlmeier

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