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Die Fr1da-Studie in Bayern: Weltweit erster Typ 1-Diabetes-Früherkennungstest für Kinder

Ein Großteil der Kinder mit Typ 1-Diabetes wird zu spät erkannt. Das möchte die Fr1da-Studie „Typ 1-Diabetes: Früh erkennen – Früh gut behandeln“ ändern. Schwere Stoffwechselentgleisungen bei einer zu späten Diagnose des Typ 1-Diabetes erfordern eine Behandlung im Krankenhaus, oft auf der Intensivstation, und enden bei einem von 400 Kindern tödlich. Weiterhin führen sie bei einem Großteil der Patienten zu nachhaltigen Veränderungen in der Gedächtnisleistung sowie einer langfristig schlechteren Diabeteseinstellung. Eine frühe Diagnose kann hier vorbeugen und ermöglicht eine schrittweise Vorbereitung auf die Erkrankung im Rahmen eines umfangreichen Betreuungsangebotes.


Typ 1-Diabetes ist die häufigste chronische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter. Etwa 30.000 junge Menschen sind derzeit in Deutschland davon betroffen. Die Inzidenz dieser Autoimmunerkrankung nimmt dramatisch zu: alle 12 Jahre wird sich die Anzahl der Kinder mit neuerkranktem Diabetes verdoppeln. Gefährlich kann vor allem ein unentdeckter Diabetes werden: Die Ketoazidose ist die führende Todesursache bei Kindern mit (unentdecktem) Typ 1-Diabetes. Dies ließe sich mit Hilfe eines Früherkennungstests verhindern.


Daher haben Wissenschaftler des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München unter Federführung von Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler und unter Schirmherrschaft der Bayerischen Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml, das Pilotprojekt Fr1da initiiert. „Eine lebenslange, chronische Erkrankung manifestiert sich mit einer lebensbedrohlichen Situation. Das ist für Eltern und Kind ziemlich traumatisch“, so die Typ 1-Diabetesexpertin Prof. Dr. Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung (IDF) am Helmholtz Zentrum München. „Die Fr1da-Studie ist ein weltweit einzigartiges Pilotprojekt, bei dem es darum geht, die Versorgung und Therapie der Kinder mit Typ 1-Diabetes zu verbessern. Studien haben nachgewiesen, dass solch ein Inselautoantikörper-Screening Ketoazidosen verhindern und den Krankenhausaufenthalt bei Ausbruch des Typ 1-Diabetes verkürzen kann. Und der Diabetes lässt sich besser behandeln, wenn er frühzeitig diagnostiziert wird“.


Daten aus drei Ländern mit insgesamt über 13.000 Teilnehmern belegen: Schon Monate bis Jahre vor Erkrankungsausbruch sind Diabetes-typische Antikörper im Blut nachweisbar. Mit Hilfe eines speziellen 4-fach-Autoantikörpertests lässt sich inzwischen mit bis zu 100-prozentiger Gewissheit sagen, dass ein Typ 1-Diabetes vorliegt – noch bevor es zu Krankheitssymptomen kommt.


Fr1da-Studie: Bayernweites Pilotprojekt


Auf Basis dieser Erkenntnisse, initiierte Prof. Ziegler die weltweit erste, flächendeckende Typ 1-Diabetes-Früherkennungsstudie „Fr1da“. Sie gibt allen in Bayern lebenden Eltern im Jahr 2015 die Möglichkeit ihre Kinder im Alter zwischen 2 und 5 Jahren kostenlos auf ein Frühstadium des Typ 1-Diabetes untersuchen lassen. Der Test wird beim Kinderarzt anhand weniger, aus dem Finger entnommener Blutstropfen durchgeführt. Kooperationspartner sind neben dem Helmholtz Zentrum München und dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege auch die Technische Universität München, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V., Landesverband Bayern und PaedNetz® Bayern sowie das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.


Vorteile einer frühen Diagnose


„Die frühe Diagnose soll in erster Linie dazu dienen, lebensbedrohliche Ketoazidosen zu verhindern und die Familien auf die Erkrankung und ihre Therapie bestmöglich vorzubereiten.“, so Ziegler.


Nicht umsonst läuft die Fr1da-Studie unter dem Motto „Typ 1-Diabetes: Früh erkennen – früh gut behandeln“ - Eltern mit einem positiv getesteten Kind werden intensiv betreut. Neben einem engmaschigen Monitoring des Stoffwechsels, hilft eine speziell entwickelte Schulung den Eltern dabei, mögliche Ängste abzubauen. Eine psychologische Betreuung und die Erfassung des individuellen Wohlbefindens ist ebenfalls Teil des Konzepts.


„Dank der frühen Diagnose haben die betroffenen Familien dann die Möglichkeit, langsam und ärztlich betreut in die veränderte Situation hineinzuwachsen. Wenn die Erkrankung behandelt werden muss, ist es möglich, ohne langen stationären Klinikaufenthalt des Kindes die Therapie sofort zu beginnen“, betont Prof. Karin Lange, medizinische Psychologin von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Es wäre für die Eltern wichtig zu wissen, „Mein Kind ist sicher. Wir müssen nicht befürchten, dass es plötzlich auf der Intensivstation liegt“. „Da wir den Eltern durch Fr1da sagen können, dass ihr gesund aussehendes Kind chronisch krank ist, müssen wir ihnen aber auch Unterstützung bieten. Wir wollen die Familien auf dem Weg in die chronische Erkrankung begleiten und so dazu beitragen, dass die Kinder möglichst normal aufwachsen können“, ergänzt die Psychologin.


Gemeinsam mit Frau Prof. Ziegler hat sie daher einen Ratgeber für betroffene Familien geschrieben. „Eltern müssen keine Angst vor dem Test haben. Bei 99,7 Prozent der untersuchten Kinder fällt der Test negativ aus und bei jenen 0,3 Prozent mit positivem Ergebnis muss man den frühen Test als echte Chance verstehen“, so die Kinderärztin Dr. Katharina Warncke vom Fr1da-Schulungszentrum an der Kinderklinik München Schwabing.


Den Krankheitsverlauf stoppen


Das fast 20-köpfige Fr1da-Studienteam bietet allen Eltern überdies an, auch außerhalb der ärztlichen Sprechzeiten ihre Fragen zu stellen und mögliche Sorgen anzusprechen. Hierzu stehen eine kostenlose Hotline und eine E-Mail-Adresse zur Wahl. Eine umfangreiche Website (www.fr1da-studie.de) gibt zudem Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um die Studie und mehr.
Neben den vielen bislang aufgeführten Vorteilen, gibt es aber auch noch die Hoffnung, das Fortschreiten des Diabetes hinauszuzögern oder gar zu stoppen. Kinder, die an der Fr1da-Studie teilnehmen, werden die Möglichkeit erhalten, an Präventionsstudien („Impfstudien“) teilzunehmen. Eine Impfung gegen Typ 1-Diabetes ähnelt einer Desensibilisierung. „Wir hoffen, dass es uns – auch mit Hilfe der Fr1da-Familien irgendwann gelingt, das Fortschreiten der Erkrankung mit einer Impfung zu stoppen“, sagt die Studienleiterin.


Interessierten und betroffenen Familien sowie behandelnden Ärzten bietet das Fr1da-Team am 22 September zudem eine<link> bayernweite Telefonaktion zu Typ 1-Diabetes bei Kindern- und Jugendlichen an.


Weitere Informationen:
Univ.-Prof. Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler
Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, und
Lehrstuhl für Diabetes und Gestationsdiabetes, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg
Tel.: 0800 – 4 64 88 35
E-Mail: diabetes.frueherkennung@helmholtz-muenchen.de
<link http: www.typ1diabetes-frueherkennung.de>www.fr1da-studie.de

(Helmholtz Zentrum München)

 

Selbsthilfegruppen helfen gerne!

0,3 % der Teilnehmer an der Fr1da-Studie erfahren, dass Ihr Kind evtl. irgendwann an Typ 1-Diabetes erkranken wird. Dies zu verdauen ist nicht einfach - Ängste entstehen, wie ein solches Leben mit Diabetes zu meistern ist. Betroffenen Familien können auch wir helfen: Unsere Selbsthilfegruppen stehen ihnen offen - ganz besonders unsere Selbsthilfegruppen für Kinder, Jugendliche und Eltern. Hier können diese Familien miterleben, dass ein normales Leben auch mit Diabetes möglich ist. Wir fangen gerne auf. Bitte verweisen Sie, wenn Sie angesprochen werden, auf unsere <link>Büros oder die<link> Ansprechpartner Kinder, Jugend und Eltern.