Kolumne

A world without 1

„A world without 1“ – auf deutsch: eine Welt ohne Typ-1-Diabetes. Das ist das Ziel von Frau Prof. Dr. Anette-G. Ziegler und vielen mit ihr vernetzten, internationalen Wissenschaftlern und Forschungszentren.

Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel! Ob es in naher Zukunft erreichbar sein wird? Träume und Visionen wie diese sind die Voraussetzung, jahrzehntelang trotz vieler Sackgassen „dran“ zu bleiben und immer wieder neue Ansätze in Forschungsstudien zu prüfen. Keine der bisher gelaufenen Studien war „umsonst“. Jede hat neue Erkenntnisse gebracht für das hohe Ziel der Prävention bzw. irgendwann einmal Heilung?

Frau Fading hat einen sehr bewegenden Bericht zur Diabeteserstmanifestation ihres Sohnes geschrieben – ich, selbst Diabetes-Mama, und sicher alle, die in ähnlicher Situation waren, fühlen sich sofort wieder zurückversetzt in diese Anfangszeit, in die Not, die Angst, die Verzweiflung, die vielen Fragezeichen... Wie schön, wenn wirklich keine einzige Familie mehr durch dieses tiefe Tal hindurchgehen müsste.

Viele Jahre schon gibt es Studien zur Diabetesfrüherkennung. Es wurden Kinder aus Risiko-Familien getestet, meist wurde „nur“ nach Autoantikörpern gesucht. Waren diese nachweisbar, lief der Autoimmunprozess schon. Die Wissenschaftler lernten hier viel zur Entstehung des Diabetes, bis wann der Prozess evtl. auch wieder enden kann. Bei Fortschreiten konnten sie aber nur zuschauen und die Familien auf dem Weg zur Manifestation auf ein Leben mit Diabetes gut vorbereiten. Ein Vorteil: So gut begleitet waren schwere Entgleisungen und Intensivstation bei Erstmanifestation immer vermeidbar.

Aber diese Chance hatten nur die etwa 10 % der Familien, in denen ein Typ-1-Diabetes bei nahen Verwandten bekannt war. 90 % der Familien trifft Diabetes aber ohne irgendein Familienmitglied mit Typ-1-Diabetes. Sie fielen durch dieses Raster.

Mit Fr1da und jetzt auch Freder1k haben jetzt alle Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder testen zu lassen! Natürlich auf freiwilliger Basis. Jeder hofft bei Teilnahme sicher auf „Entwarnung“ für das eigene Kind, und doch trifft es einige.

Heute können die Forscher nach Freder1k die Aufnahme in „POInt“, eine Präventionsstudie, anbieten. Das ist eine Doppelblind Studie mit zwei Ästen: 50 % der teilnehmenden Kinder erhalten das Insulinpulver, 50 % ein Pulver ohne Insulin. Weder die Eltern noch das betreuende Studienteam wissen, in welchem der beiden Äste welches Kind ist. Dieses Geheimnis wird erst nach Studienende und der Entblendung gelüftet.

Bei der Auswertung zeigt sich dann das unverfälschte Ergebnis: Gab es im Arm der mit Insulin behandelten Kinder weniger oder gar keine Diabetes-Fälle als im Arm der Placebo-Gruppe? Damit wäre DER Beweis erbracht, dass dieser Weg funktioniert. Im schlechtesten Fall findet sich kein Unterschied zwischen beiden Gruppen. Dann wäre dies wieder eine von vielen Sackgassen gewesen.

Hätte es zu der Zeit, als unsere Tochter erkrankte, eine Präventionsstudie wie POInt gegeben - ich bin mir ziemlich sicher, wir hätten das Geschwisterkind testen lassen. Damals haben wir uns dagegen entschieden, weil es keine Möglichkeit zur Intervention gab. Und wir waren uns sicher, als routinierte Diabetes-Familie auch diesen Diabetes rechtzeitig zu entdecken, wie bei der Schwester schon einmal geschehen.

Fest steht eins: Die eingeschlossenen Familien haben einige Arzttermine mehr im Kalender. Ihre Kinder werden im Rahmen der Studie medizinisch noch viel intensiver überwacht als andere Kinder. Sollte sich tatsächlich ein Diabetes „auf den Weg machen“, werden sie auf das Leben mit Diabetes gut vorbereitet, sie landen nicht bei der Manifestation als Notfall auf der Intensivstation.

Schön ist eine Diabetes-Diagnose nie – egal, ob darauf vorbereitet oder nicht, egal, ob beim Kleinkind oder beim Erwachsenen. Das Leben mit Diabetes ist machbar, aber natürlich um einiges komplizierter als ohne. Wenn wir ihn abgeben könnten, würden wir das alle gerne tun.

Drücken wir fest die Daumen, dass POInt ein erster großer Schritt in die tatsächlich mögliche Verhinderung des Typ-1-Diabetes sein wird. Vielleicht werden nicht alle profitieren – aber jedes einzelne Kind, das nicht erkrankt, ist ein Gewinn!

Ich wünsche Frau Prof. Dr. Ziegler und all ihren Kollegen in Nah und Fern viel Erfolg und den Durchbruch.

Ihre Marion Köstlmeier