Berichte

Diabetes und Zähne: Duo infernale Prof. Dr. Peter Eickholz, Bayerischer Diabetikertag 2020

Der Mund ist die Eintrittspforte in den Körper und wie andere Körperoberflächen auch von Bakterien besiedelt. Auf unserer Körperoberfläche (Haut, Mund- und Darmschleimhaut) kommen wir mit den Bakterien gut klar. Im Körperinneren (Blut, Knochen, Bindegewebe) können wir Bakterien nicht gebrauchen.

Unsere Zähne durchdringen die Körperhülle. Sie wurzeln im Knochen, durchstoßen die Schleimhaut und ragen in den Mund. Dort bilden die Bakterien Zahnbeläge (Plaque, dentaler Biofilm). Um ein Eindringen dieser Bakterien zwischen Zahn und Zahnfleisch in Bindegewebe und Knochen zu verhindern, bedarf es eines besonderen Abwehrmechanismus: Zahnfleischentzündung (Gingivitis). Besonders stark können solche Zahnfleischentzündungen bei Patienten mit Diabetes verlaufen.

Werden die bakteriellen Beläge vom Zahn entfernt (z.B. Zähneputzen), klingt die Zahnfleischentzündung nach wenigen Tagen ab. Erfolgt dies nicht, kommt es bei manchen Menschen früher, bei den meisten später (im „mittleren“ Alter) zur Entgleisung dieser Entzündung. Sie ist dann nicht mehr in der Lage, die Bakterien aufzuhalten. Die Bakterien dringen zwischen Zahnfleisch und Zahn vor. Sie würden nach etwa 2 mm den Knochen erreichen. Der Körper zerstört auf der „Flucht“ vor den zwischen Zahn und Zahnfleisch eindringenden Bakterien den eigenen Zahnhalteapparat (Parodontitis; oft falsch als Parodontose bezeichnet). Die Zähne verlieren ihren Halt und können schließlich verloren gehen.

In den Anfangsstadien ist die Zahnfleischentzündung, bei der noch nichts kaputt geht, für die Betroffenen nicht von einer Parodontitis zu unterscheiden. Bei Zahnfleischentzündung und Parodontitis kommt es zu Zahnfleischbluten. Einen ersten Anhaltspunkt gibt der „Selbsttest Parodontitis“ der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie e.V. DG PARO - eine kostenlose App für Smartphones kann im App Store oder bei Google Play heruntergeladen werden.

Wer wissen möchte, ob sie/er Parodontitis hat, sollte seinen Zahnarzt nach dem Parodontalen Screening Index (PSI) fragen. Diese einfache Screening-Untersuchung wird von den gesetzlichen Krankenkassen alle 2 Jahre bezahlt und liefert Hinweise darauf, ob eine Parodontalerkrankung vorliegt. Bei Vorliegen von Code 3 und/oder 4 ist eine weiterführende Untersuchung erforderlich, um die Art und den Schweregrad der Parodontalerkrankung feststellen zu können. Vor allem, wenn sie früh erkannt wird, kann Parodontitis einfach behandelt werden.

Die chronische Entzündung Parodontitis kann über eine große Wundfläche (die Zahnfleischtaschen) durch Ausstreuung der Bakterien ins Blut (Bakteriämie) den gesamten Körper beeinflussen. Die Beziehung von Parodontitis und Diabetes ist wechselseitig: Diabetes befeuert die Entzündung des Zahnhalteapparates (Patienten mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko an Parodontitis zu erkranken) und die chronische Entzündung Parodontitis kann den Verlauf der Zuckerkrankheit verschlimmern (Insulinresistenz, erhöhte Blutzuckerwerte bzw. schlechte metabolische Kontrolle). Eine erfolgreiche Behandlung der Parodontitis wirkt dem entgegen. Es gibt viele gute Gründe, für eine Zusammenarbeit von Hausarzt und Zahnarzt auf diesem Feld im Interesse der Patienten.

Weitere Informationen inkl. vieler Videos rund um Zahngesundheit, Mundhygiene, Parodontitis inkl. Fragebogen zum Selbsttest, kompetenter Anlaufstellen usw. bietet das Patientenportal der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie e.V. DG PARO.

Univ.-Prof. Dr. Peter Eickholz
Direktor der Poliklinik für Parodontologie
Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum)
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7 (Haus 29)
60590 Frankfurt am Main

Komplett intakte gesunde Gingiva (= Zahnfleisch), junge Frau, 18 Jahre © Prof. Dr. Peter Eickholz
Gesunde Gingiva nach erfolgreicher Parodontitisbehandlung, männlicher Patient, 72 Jahre © Prof. Dr. Peter Eickholz