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Wie ist das noch mit „großen” Diabeteskids? Michaela Micheli, Selbsthilfegruppe „Sweetlife“, Teil 1

Ich kann mich noch sehr gut erinnern: Wir waren gerade beim Organisieren unserer ersten großen USA-Reise. Und mittendrin war unser Adrian, 15 Jahre - ein Prachtkerl, wie er im Buche steht, null Pubertätsanzeichen, nur immer dauermüde. Dass er abnahm, schoben wir und auch er auf seine ausgesprochen ausdauernden, sportlichen Aktivitäten, die im Hinblick auf die USA-Reise und deren in Aussicht gestellten Pools völlig logisch waren.

Wir waren stolz: ein toller Kerl! Bis, ja, bis eines Abends meine Freundin meinte: „Das sieht jetzt nicht mehr gesund aus.” Mmmmh - je länger wir uns damit beschäftigten, umso mehr fanden wir das auch - nur Adrian nicht, er fand das okay und war dabei müde.

Die Müdigkeit wurde nun begleitet von „Dauerwadenkrämpfen”: was haben wir gestreichelt, geknetet und Magnesium verabreicht! Die Müdigkeit wurde zur Belastung, so dass er eine Woche vor Abreise kaum noch aus dem Bett kam. Ich schloss auf der Stelle mein Lädchen zu, fuhr heim, schnappte mir Adrian und ab ging es zu Hausarzt. Was dann kam, überrollte uns einfach so.

Die Schwester sagte zu uns, das Blutzuckermessgerät wäre defekt, es zeige an: „Wert nicht mehr messbar”. „Typisch Micheli, bei uns ist das immer so“ dachte ich mir. Unser Hausarzt machte dem allen ein Ende indem er kurz Adrians Atem roch und sagte: „Er riecht nach Aceton, er gehört sofort in die Klinik.” Ich immer noch: „Ich fahr schnell heim und ho…” „NEIN” hieß es - sofort in die Klinik und zwar mit dem Krankenwagen.

Dass er noch sagte: „Adrian hat Diabetes“ und Adrian daraufhin bedauerte, dass er die leckere Nachspeise nun vergessen könne, bekam ich nur am Rande mit. Nachdem Adrian, den mittlerweile angelegten Tropf vor sich herschiebend, in seinem Zimmer ankam, folgte dann auch bald unsere Ärztin. „Unsere“, weil sie es war, die uns unglaublich liebevoll, interessiert, beruhigend und kompetent betreuen sollte, sieben Jahre lang. Über die Dankbarkeit, die wir dieser Frau gegenüber empfinden, werde ich später berichten. An diesem Tag spielte für uns nichts eine Rolle! Wir hörten nur noch die Worte Diabetes, Unterzucker, Keton, Broteinheiten, Schulungen, Ernährungsberatung, Insulin, und, und, und. Während versucht wurde, uns die weiteren Schritte erfolglos zu sortieren, betrachtete ich meinen Sohn: Ich fragte mich angesichts seine Blässe und seiner fast eingefallenen Wangen, wie wir diese Veränderung nicht wahrnehmen konnten. Das ist doch nicht möglich! Ich erinnerte mich plötzlich daran, wie ich Adrian im Urlaub mit Freunden mal angeraunzt habe, weil er nachts ohne Rücksicht auf Verluste den Kühlschrank leer getrunken hatte. Er hatte da wohl schon Diabetes! Oder dass ich panisch mit Adrian das neu erstandene Auto abgraste, weil es nach ausgeschütteter Farbe oder „irgend sowas“ gerochen hatte. Heute weiß ich: ER roch nach Aceton. Er hatte schon Diabetes!

Man, man, man - ich war echt überrascht, dass bei dem ganzen Input, den man jetzt hier in der Klinik bekam, noch Platz für ein schlechtes Gewissen war. Es war definitiv Fakt: Adrian war unheilbar erkrankt und selbst mein Mann, immer der „ Fels in der Brandung“, war diesen Gefühlen der Hilflosigkeit und Zukunftsangst ausgeliefert.

Nun saßen wir mit unserem 15-jährigem Sohn hier in Klinik, wo jetzt und hier ganz plötzlich ein völlig neuer Lebensabschnitt begann, auf den wir alle, insbesondere Adrian, gut verzichten hätten können.

Fortsetzung folgt mit Teil 2: Wenn ich noch einmal den Satz „Es gibt Schlimmeres“ höre, schepperts!