Berichte Kolumne

Wetterkapriolen

Es ist der 19. Januar, noch gilt im Landkreis Berchtesgadener Land der Katastrophenfall, andere Landkreise haben ihn in den letzten Tagen schon aufheben können. Sie erinnern sich – es war innerhalb weniger Tage sehr viel Schnee im Süden Bayerns gefallen. Einige Landkreise versanken buchstäblich darin, dabei sind diese Gebiete Schnee wirklich gewohnt. Normalerweise freuen sie sich über die weiße Pracht, die zuverlässig Urlauber und Tagesausflügler in die Wintersportregion lockt.

Aber was zu viel ist, ist zu viel, besonders wenn wie heuer schwerer Nassschnee dabei ist: Bäume knickten um, hohe Dachlasten bedrohten die Häuser, es herrschte hohe Lawinengefahr. Viele Straßen waren unpassierbar, das galt auch für Bahnstrecken – und das nicht für ein paar Stunden, sondern für Tage bzw. teils sogar über eine Woche. Schulen waren mehr oder weniger lang geschlossen, weil die Schulwegsicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte. Von Normalität war man weit entfernt.

Wir sind es gewohnt, in einem weitgehend funktionierenden Umfeld zu leben. Wir haben das Zepter in der Hand. Aber hier haben wir einmal mehr gesehen, wie schnell uns die Natur, die sich von uns nicht optimieren lässt, einen dicken Strich durch die Rechnung machen kann.

Im engen Zusammenhalt haben die Einwohner der betroffenen Gebiete von Anfang an ihr Möglichstes getan, die Situation zu bewältigen. Als klar war, dass sie dies keinesfalls alleine schaffen könnten, rückten Helfer von verschiedensten Institutionen, Organisationen und Freiwillige an, kurzfristig und ohne langwierige bürokratische Hürden. Gemeinsam wurde Hand in Hand geschaufelt, gefräst, aufgeräumt – wir konnten es in den Nachrichten und Sondersendungen täglich verfolgen. Ähnlich beeindruckende Hilfsaktionen haben wir bei Hochwasserlagen auch gesehen.

Wir hoffen alle, dass Notlagen wie diese Schneemassen, Hochwasser, Stürme usw. uns persönlich nicht treffen. In einer Gesellschaft, in der es scheint, als ob man sich immer weniger umeinander kümmert, ist es für mich sehr beruhigend zu sehen, dass wir uns im Ernstfall aufeinander verlassen können.

Solche absolute Ausnahmesituationen zeigen: Wir können gut und unkompliziert in einem Miteinander Großes schaffen. Nur: In der Normalität haben wir uns einen undurchsichtigen Zuständigkeitsdschungel und Bürokratie-Tiger aufgeschaufelt, den kaum einer durchblickt. Vielen ist schon lange klar: das muss sich ändern. Von der optimierten Separation müssen wir in ein lösungsorientiertes Miteinander finden, zum Wohle von uns allen. Das hilft uns, wertvolle Ressourcen zu sparen, denn das müssen wir: überall herrscht Mangel an Fachkräften, Mangel an geeignetem Personal. Das wird in Zukunft nicht besser, ganz im Gegenteil!

Im Kleinen erleben alle, die in der Selbsthilfe verankert sind, immer wieder das Positive an enger Vernetzung. Man weiß, dass man sich aufeinander verlassen kann. Da wird Wissen geteilt, das dem Einzelnen in seinem speziellen Problem gerade weiter hilft. Besonders in den Selbsthilfegruppen wird bei einem Engpass, z.B. verspätete Lieferung von Pumpenkathetern, vergessene Blutzuckerteststreifen, usw. kurzfristig untereinander ausgeholfen. Oder beim Gruppenausflug Insulin zu Hause liegen lassen? Da findet sich immer eine Lösung. Ein gutes Gefühl, ganz besonders wertvoll in einem Katastrophenfall wie im Januar, denn eingeschneit waren natürlich auch Diabetiker.

Ich wünsche uns allen, dass wir, wo immer wir Hilfe benötigen, unkompliziert und beim ersten Anlauf kompetente Hilfe finden - und natürlich ein Jahr ohne weitere ungewöhnliche Wetterkapriolen.

Ihre Marion Köstlmeier