Berichte Kolumne

Digitalisierung - alles gut oder nicht?

Kennen Sie die Ascensia Diabetes Challenge? Das ist ein globaler Innovationswettbewerb von Ascensia Diabetes Care. Gesucht werden digitale Lösungen, die Menschen mit Typ-2-Diabetes dabei helfen sollen, ihren Diabetes im Alltag besser zu managen. (Mehr über den Wettbewerb lesen Sie hier.)

Sieger des Jahres 2018 ist das britische Start-up Whisk, das mit „Whisk Innovation“ einen Ernährungscoach entwickelt hat, der seinem Anwender personalisierte Essensempfehlungen auf Grundlage von Geschmacksvorlieben und Nahrungsmitteleinschränkungen gibt. Der Nutzer kann eine Reihe zusätzlicher Angaben machen, die bei den Rezeptvorschlägen berücksichtigt werden, z.B. Diätvorschriften, der zeitliche Rahmen für die Zubereitung usw. Klingt erst einmal gut, oder?

Was mir nicht gefällt:

  • Die Nutzer können die benötigten Lebensmittel in einen „digitalen Einkaufswagen“ legen, der mit kooperierenden Lebensmittelhändlern verbunden ist. Die Lebensmittel werden zeitnah nach Hause geliefert. Das wird in den USA, Großbritannien und Australien schon praktiziert.
  • Jetzt möchte Whisk die App speziell für Diabetiker erweitern. Die Blutzuckerwerte sollen über eine Schnittstelle direkt in die App übertragen werden. Sie fließen dann in die ki-basierte App (künstliche Intelligenz) ein. Das System lernt aus vorangegangenen Mahlzeiten mit den zugehörigen Blutzuckerverläufen und passt ihre Rezeptempfehlungen an.


Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber mir geht da manches zu weit!

Zunächst zur „digitalisierten Lebensmittelbestellung“: Sicher ist es für manche Menschen eine große Hilfe, wenn ihnen die Lebensmittel nach Hause geliefert werden. Ich denke da an Menschen, die, warum auch immer, auf Dauer oder vorübergehend das Haus nicht verlassen können bzw. keine Chance haben, zu einer Einkaufsmöglichkeit zu gelangen. Oder an diejenigen, die es tatsächlich nicht schaffen, z.B. wegen ungünstiger Arbeitszeiten, während der Öffnungszeiten einzukaufen.

Die breite Masse sollte in der Lage sein, selbst einkaufen zu gehen. Mich schüttelt es bei der Vorstellung, dass eine App oder auch ein intelligenter Kühlschrank meine Einkäufe „erledigt“. Den Kühlschrank, der fehlendes rechtzeitig nachbestellt, gibt es schon - aber (noch?) nicht bei mir!

Einkaufen ist auch ein Erlebnis. Und es bringt Menschen zusammen - soziale Kontakte sind wichtig. Einsamkeit ist ein Risikofaktor z.B. für Depression! Und: Wo genügend Menschen einkaufen, wird der Supermarkt selten weg rationalisiert. Weiterer Benefit - jedes bisschen Bewegung ist auf alle Fälle besser als zuhause auf die Lieferung zu warten.

Zum zweiten Punkt - der Einbindung der Blutzuckerwerte in die Empfehlungen: Die hier beschriebene App könnte nur denjenigen Typ-2-Diabetikern durch Einbindung der Blutzuckerwerte helfen, die sie auch tatsächlich messen! Die überwiegende Mehrheit bekommt keine oder nur sehr wenig Blutzuckerteststreifen verschrieben. Und: Ich bin ein Fan von selbst denken, selbst reflektieren - technische Hilfsmittel zur Unterstützung sind ja schön. Aber: Ich muss immer auch in der Lage sein, ohne die Technik eigene Entscheidungen zu treffen. Dazu ist natürlich wichtig, dass Diabetikern entsprechendes Wissen vermittelt wird - bedarfsgerecht in verständlicher Form und immer wieder! Hier kann möglicherweise eine App tatsächlich helfen - auch darin, mehr Bewegung in den Alltag einzubauen!

Überall geht es momentan um Digitalisierung und künstliche Intelligenz - um Chancen und Risiken,darum, wie sie möglicherweise unsere Zukunft verändern wird. Wir werden die Digitalisierung nicht mehr aufhalten können.

Aber es gibt für jeden von uns an vielen Punkten unseres Alltags die Chance, selbst und kritisch zu entscheiden, ob wir genau an dieser Stelle mitmachen möchten oder nicht. Also am Beispiel dieser App: Will ich meine Blutzuckerwerte einbinden oder nicht? Nehm ich den Rezeptvorschlag an, mache mir einen Einkaufszettel und geh los oder lege ich ihn in den digitalen Einkaufswagen und warte, bis der Fahrer klingelt - sobald bei uns verfügbar?

Das Leben war, ist und bleibt spannend. Die Generationen vor uns und wir haben schon viel gemeistert und wir werden dies auch weiter tun - oder übernimmt die künstliche Intelligenz irgendwann das Zepter und schafft uns ab?

Aber noch sind wir im Spiel!

Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Adventszeit und gesegnete, friedliche Weihnachten im Kreise Ihrer Familie!

Ihre Marion Köstlmeier