Berichte

Diabetischer Fuß: Die Problemzone - Fußnetz Bayern, Dr. Arthur Grünerbel, Vorsitzender

Die Versorgung von Menschen mit diabetischem Fußsyndrom stellt schon lange Zeit ein Problem dar.

Zum einen ist in Patienten–, und zum Teil auch in Arztkreisen, die Auswirkung der Neuropathie noch nicht im Bewusstsein angekommen. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Von klein an haben wir gelernt, schmerzende Wunden, z.B. an den Extremitäten, ernst zu nehmen, zu entlasten, zu versorgen. Die Wunde beim Diabetischen Fuß hingegen tut nicht weh. Sie ist meist spontan entstanden aus Gründen, die den Betroffenen primär nicht plausibel erscheinen: zu enger Schuh, falsche Belastung beim Gehen, Falte im Socken... „Früher“, also vor der Entstehung der Neuropathie, fühlte der Betroffene dann den Druckschmerz - jetzt, mit Neuropathie, kann der Schuh nicht eng genug sitzen, damit man ihn „spürt“, er ist dann aber zu eng! Wegen des fehlenden Schmerzes wird diese Wunde schon primär nicht ernst genug genommen.

Zwar werden in Schulungen Patienten in der Selbstbeobachtung der eigenen Füße angeleitet und die Wichtigkeit betont, aber nur wenige kommen in den Genuss dieser Schulungen, da die Angebote nicht sehr bekannt sind.

Zum anderen sucht der Patient mit seiner Wunde, so er sie denn bemerkt hat, oft zuerst einen Kosmetiker bzw. Fußpfleger auf - oder den Hautarzt, weil die Wunde ja an der Haut entstanden ist, oder vielleicht den Orthopäden, weil die Wunde am Fuß ist. Beide haben jedoch nicht die zertifizierten Strukturen einer diabetischen Fußambulanz und auch nicht den geübten Umgang mit Menschen mit Neuropathie und eventuell entgleistem Diabetes.

Daher haben wir 2006 das Fußnetz München gegründet und 2009 bayernweit ausgerollt. In diesem Netzwerk, bestehend aus allen medizinischen und paramedizinischen Berufen, die für die Versorgung diabetischer Füße wichtig sind, sind Menschen mit Fußwunden oder -veränderungen gut aufgehoben.

Orthopädieschuhmacher sind genauso vertreten wie Podologen, zertifizierte Pflegedienste, ambulant und stationär tätige, auf das diabetische Fußsyndrom spezialisierte Fußchirurgen bzw. Orthopäden. Von einzelnen Fachrichtungen gibt es leider bayernweit noch zu wenig Spezialisten, da sind uns andere Bundesländer weit voraus - hier setzen wir auch an. Weiters finden Sie Angiologen und Gefäßchirurgen, um eine gestörte Durchblutung wiederherstellen zu können. Die zentrale Einheit stellen die diabetologischen Fußambulanzen dar, die von der Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß oder der KV Bayern zertifiziert sind. Sie können Einrichtungen im Internet unter www.fussnetz-bayern.de regional gegliedert finden. Diese Seite hilft sowohl dem Hausarzt als auch Angehörigen oder Patienten, geeignete Versorgungseinrichtungen und Ansprechpartner in Wohnortnähe zu eruieren.

Mit Hilfe dieser Homepage will das Fußnetz Bayern auch das Bewusstsein in der Bevölkerung für Menschen mit diabetischem Fuß erhöhen. Obwohl wir uns vor fast 20 Jahren das Ziel gesetzt hatten, diabetesbedingte Amputationen zu halbieren, hat die Zahl in den letzten Jahren noch weiter zugenommen. Nach dem Gesundheitsbericht Diabetes Deutschland von 2018 müssen wir umgerechnet alle 13,4 Minuten eine diabetesbedingte Amputation verzeichnen. Dies ist weiterhin höchst alarmierend, selbst wenn die Zahl der hohen Amputationen nun etwas rückläufig ist.

Das Fußnetz Bayern befasst sich schon lange mit der Schaffung geeigneter Strukturen zur Versorgung. Diese wurden auch in einem dreijährigen Fördermodell des bayerischen Gesundheitsministeriums erfolgreich erprobt. Nun sind die Krankenkassen in der Pflicht, diese Strukturen zu finanzieren. Damit wäre viel Geld und auch viel Leid bei den Betroffenen einzusparen, kostet doch eine einzige Amputation im ersten Jahr im Mittel 13.000 EUR. Das Fußnetz Bayern hat die von der kassenärztlichen Bundesvereinigung in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der niedergelassenen Diabetologen erarbeitete Struktur an Bayern angepasst und bereits bayerischen Krankenkassen und der KV Bayern vorgestellt. In diesem Projekt sind neben unterschiedlichen Spezialisierungsgrade der Fußambulanz auch Konzepte für ein Zweitmeinungstool enthalten. Dieses kann sowohl vor drohenden Amputationen schützen als auch, beispielsweise fern einer Fußambulanz, per digitaler Kommunikation dazu dienen, eine Wunde dem Spezialisten vorzustellen.

Auch weitere Optionen wie Management von Verbandsmaterial oder Schuhversorgung sowie die umfassende digitale Betreuung eines Patienten sind hiermit möglich.