Berichte

Apotheken vor Ort – Bedeutung für uns

Zu diesem Thema hatten wir Sonja Stipanitz, Patientenbeauftragte  des Bayerischen Apothekerverbandes (BAV) und Inhaberin der Schloss-Apotheke in Falkenstein als Referentin für unsere SHG-Leiter-Schulung eingeladen.


Wir kommen in die Apotheke, weil wir Rezepte einlösen wollen, bei Gesundheitsproblemen kompetenten, schnellen Rat und Hilfe suchen, rezeptfreie Medikamente kaufen möchten usw. Vieles, was Apotheken leisten, ist nicht so offensichtlich – und doch sehr wichtig. Deshalb war es gut, hierzu mehr von Frau Stipanitz zu erfahren.


Zu den Aufgaben von Apotheken gehören natürlich die Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel inkl. Beratung zur korrekten Einnahme, ebenso die Beratung zu frei verkäuflichen Medikamenten. Dabei gilt es, auf Wechsel- und Nebenwirkungen aller Medikamente untereinander zu achten und Patienten/Ärzte auf mögliche Probleme hinzuweisen. Apotheker stellen individuelle Rezepturen her, z.B. oft erforderlich für Kinder oder bei Hauterkrankungen. Für uns Kunden unsichtbar, aber sehr wichtig: Apotheker prüfen stichpunktartig die Qualität von Arzneimitteln.


Wir alle kennen und schätzen den Apothekennotdienst, der unsere Versorgung rund um die Uhr sichert. Das heißt z.B. für die Schloss-Apotheke in Falkenstein: einmal wöchentlich Notdienst, zuletzt am Dienstag, Feiertag. In den 24 Stunden sind zehn Kunden in die Apotheke gekommen, unzählige Anrufe hat Frau Stipanitz angenommen.


Rabattverträge


Großer Beratungsbedarf entsteht in den Apotheken regelmäßig zu Rabattverträgen. Uns Patienten verunsichern Medikamentenwechsel oft, die Apotheken können nichts dafür. Frau Stipanitz erklärte die Hintergründe:
Rabattverträge gibt es seit dem Jahr 2007, aktuell sind es 24.600 Rabattverträge. Sie laufen heute über zwei Jahre und bringen der gesetzlichen Krankenversicherung 3,9 Mrd. EUR Einsparung pro Jahr. 117 Krankenkassen und 167 Pharmahersteller haben Rabattverträge abgeschlossen. 388 Mio. Packungen geben Apotheken ab, 23 % der verschriebenen Rabatt-Arzneimittel sind zuzahlungsfrei bzw. –ermäßigt. Das Ganze ist in 10 Mio. Datensätzen in der Apotheken-EDV hinterlegt.


Was bedeuten Rabattverträge für die beteiligten Akteure?

  • Für den Patienten: er erhält oft ein „unbekanntes“ Arzneimittel; aufgrund von Lieferschwierigkeiten wird er oft verzögert beliefert. Es bringt ihm manchmal den Vorteil, keine oder eine ermäßigte Zuzahlung leisten zu müssen. (2007 waren 50 % zuzahlungsfrei, Ende 2016 nur noch 23 %)
  • Für die Apotheke bedeutet es eine aufwändige Bürokratie aufgrund nötiger Austausche und ein hohes Retaxationsrisiko, z.B. kein Geld für abgegebene Medikamente, die in rabattierter Form nicht kurzfristig verfügbar sind und dennoch vom Kunden benötigt werden.
  • Für die Krankenkassen bedeuten Rabattverträge Einsparungen.
  • Für die Pharmahersteller bieten Rabattverträge garantierte Abnahme und bessere Produktionsplanung.
  • Wichtig zu wissen: Im Apothekennotdienst kann die Apotheke unter bestimmten Voraussetzungen die Rabattverträge „außer Kraft setzen“, wenn ein rabatt-begünstigtes Arzneimittel nicht vorrätig ist!

 

Frage aus der Runde – sind Generika wirklich identisch?

Generika enthalten den gleichen Wirkstoff, dennoch können sie im Vergleich zum Original verschieden sein, das zeigen Bioäquivalenzstudien. Dabei wird die sogenannte Bioverfügbarkeit getestet: Wie schnell und in welchem Umfang wird der Wirkstoff im Körper aufgenommen und steht am Wirkort zur Verfügung? Sollten Sie Unterschiede nach einem Medikamentenwechsel aufgrund eines neuen Rabattvertrags bemerken, besprechen Sie dies bitte mit Ihrem Arzt!


Mit dem „aut idem“-Kreuz auf dem Rezept kann der Arzt genau dieses aufgeschriebene Medikament festlegen – er muss jede dieser Verordnungen dokumentieren. Der Mehraufwand erklärt, weshalb es selten getan wird. Ist das „aut idem“-Kreuz nicht gesetzt, muss die Apotheke nach den gültigen Rabattverträgen ersetzen.


Was verdient die Apotheke?


Ganz interessant war auch zu hören, was Apotheken pro abgegebener Verpackung rezeptpflichtiger Medikamente verdienen: Sie erhalten derzeit 8,35 EUR plus 3 % des Apothekeneinkaufspreises des jeweiligen Medikaments – davon abgezogen wird der GKV-Großkundenrabatt (GKV = gesetzliche Krankenversicherung) in Höhe von derzeit 1,77 EUR. Einziger Unterschied zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung (PKV) – der Abzug des GKV-Großkundenrabatts entfällt bei der PKV.


Wechsel- und Nebenwirkungen


Viele Menschen nehmen regelmäßig drei und mehr Medikamente ein (=Polymedikation), unter den Senioren benötigen 41% mehr als fünf Medikamente täglich. Ein wichtiges Aufgabenfeld von Apothekern ist deshalb auch das Aufdecken von Wechsel- und Nebenwirkungen. Das ist wichtig, denn: 5 % der Krankenhauseinweisungen erfolgen aufgrund von Wechsel- und Nebenwirkungen, ca. 17.000 Todesfälle gibt es jährlich aufgrund falsch eingenommener Arzneimittel oder nicht passender Arzneimittelkombinationen. Etwa 10.000 Todesfälle und ca. 250.000 Fälle von schweren Nebenwirkungen wären durch Überprüfung der Medikation vermeidbar. Die Volkswirtschaft könnte 3 Mrd. Euro im Jahr einsparen!


Adhärenz


Nur mit der Therapietreue des Patienten (=Adhärenz) können Medikamente ihre Wirkung wie gewünscht entfalten. Aber Untersuchungen zeigen, dass Menschen, besonders bei Einnahme mehrerer Medikamente, Langzeittherapien, mangelnder Einsicht u.a. Medikamente oft nicht wie vorgesehen einnehmen. Dies fordert etwa 40.000 Todesopfer im Jahr und bedeutet ca. 10 Mrd. EUR vermeidbare Kosten.


Dagegen helfen z.B. Miteinbeziehung des Betroffenen, Schulung, Aufklärung, die gemeinsame Suche nach Lösungen gegen das Vergessen der Einnahme (Pillenboxen, Verankerung im Tagesablauf, Erinnerung z.B. via Handy) und die Reduzierung durch Verwendung von Fix-Kombinationen (Rücksprache mit dem Arzt).
Das waren die wichtigsten Punkte – Apotheken bieten Messungen, Präventionstage, Überprüfung von Insulinpens und Blutzuckermessgeräten und mehr an. Und: Bei vielen Apotheken können Sie schon heute per App vorbestellen.

Sonja Stipanitz, Apothekerin